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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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lassen. »Ich fürchte, Ihr verwechselt mich. Ich -«
    »Oh, nein, ich verwechsele Euch nicht.« Sie schüttelte den Kopf, und ihre dunklen Locken plusterten sich um ihren Kopf wie ein Heiligenschein. Ihre Augen waren jetzt
wieder geschlitzt, und ihr Gesicht war bleich. Nur über ihren Wangenknochen brannten zwei hektische Flecken.
    »Mein Pa und zwei Brüder sind in Culloden gestorben, duine a galladh ! Holt Euren englischen Schwanz aus der Hose, und ich schwöre Euch, ich schneide ihn Euch an der Wurzel ab!«
    »Ich habe nicht die geringste Absicht, das zu tun«, versicherte er ihr und hob beide Hände, um ihr zu signalisieren, dass er nicht vorhatte, sie anzurühren. »Wie alt seid Ihr?« Klein und dünn, wie sie war, sah sie aus wie ungefähr elf, doch wenn ihr Vater in Culloden umgekommen war, musste sie etwas älter sein.
    Diese Frage schien sie zu verblüffen. Sie schürzte unsicher die Lippen, doch die Hand mit dem Messer blieb, wo sie war.
    »Vierzehn. Aber Ihr braucht nicht zu glauben, dass ich nicht weiß, wie man hiermit umgeht!«
    »Ich würde Euch niemals der Unfähigkeit in irgendeinem Bereich verdächtigen, das versichere ich Euch, Madam.«
    Es folgte ein Moment des Schweigens, das sich in Verlegenheit verwandelte, als sie einander argwöhnisch betrachteten, beide unsicher, wie sie weiter verfahren sollten. Er hätte am liebsten gelacht; sie war so voller Zweifel, und doch war es ihr bitterernst. Gleichzeitig verbat sie sich durch ihre Leidenschaftlichkeit jede Art von Respektlosigkeit.
    Nessie leckte sich die Lippen und wies mit einer unsicheren Stoßbewegung ihres Messers auf ihn.
    »Ich habe gesagt, Ihr sollt gehen!«
    Ohne seinen argwöhnischen Blick von ihrem Messer
abzuwenden, senkte er langsam die Hände und griff nach seinem Weinglas.
    »Glaubt mir, Madam, wenn Euch nicht danach ist, bin ich der Letzte, der Euch zu irgendetwas zwingen würde. Es wäre allerdings eine Schande, einen solch exzellenten Wein zu verschwenden. Wollt Ihr nicht wenigstens Euer Glas austrinken?«
    Sie hatte das Glas, das sie in der anderen Hand hielt, vergessen. Sie blickte überrascht darauf hinab, dann sah sie zu ihm auf.
    »Ihr wollt nicht mit mir ins Bett?«
    »Absolut nicht«, versicherte er ihr vollkommen aufrichtig. »Ich wäre Euch allerdings dankbar, wenn Ihr mir die Ehre einer kurzen Unterhaltung erweisen würdet. Das heißt - ich gehe doch davon aus, dass Ihr nicht wünscht, dass ich auf der Stelle Mrs. Madga hole?«
    Er wies mit hochgezogener Augenbraue auf die Tür, und sie biss sich auf die Unterlippe. Er mochte ja nicht viel Erfahrung mit Bordellen haben, doch er war sich hinreichend sicher, dass eine Puffmutter eine Hure, die nicht nur ihre Dienste verweigerte, sondern auch noch ohne direkte Provokation mit dem Messer auf ihre Kunden losging, nicht besonders schätzen würde.
    »Mmpfm«, machte sie und ließ die Klinge widerstrebend sinken.
    Ohne jede Vorwarnung spürte er einen unerwarteten Stoß der Erregung und wandte sich von ihr ab, um dies zu verbergen. Himmel, er hatte dieses wunderliche schottische Geräusch seit Monaten nicht mehr gehört - nicht mehr seit seinem letzten Besuch in Helwater -, und er hatte erst recht nicht damit gerechnet, dass es eine so
machtvolle Wirkung ausüben würde, obwohl es in einer weinerlichen Mädchentonlage ausgestoßen wurde, nicht in jenem Tonfall schroffer Bedrohung, den er gewohnt war.
    Er schluckte seinen Wein hinunter und beschäftigte sich, indem er sich ein weiteres Glas einschenkte und dabei über seine Schulter hinweg beiläufig fragte: »Sagt mir, wie es kommt - angesichts der unzweifelhaften Stärke und Berechtigung Eurer Gefühle gegenüber englischen Soldaten -, dass Ihr Euch in London befindet?«
    Ihre Lippen pressten sich zu einem Saum zusammen, und sie senkte die dunklen Augenwimpern, doch einen Moment später entspannte sie sich genügend, um ihr Glas zu heben und daran zu nippen.
    »Ihr wollt nicht wissen, wie ich zu einer Hure geworden bin - nur, warum ich hier bin?«
    »Ich würde sagen, dass die erste Frage, so interessant sie zweifellos sein mag, Eure eigene Angelegenheit ist«, sagte er höflich. »Doch da die zweite Frage meine eigenen Interessen berührt - ja, das möchte ich wissen.«
    »Ihr seid wirklich ein seltsamer Vogel.« Sie legte den Kopf zurück und trank den Wein schnell aus, ohne ihren argwöhnischen Blick von ihm abzuwenden. Als sie das Glas sinken ließ, atmete sie zufrieden tief aus und leckte sich die rot befleckten

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