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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sein Glas ans Licht und betrachtete es. Wunderbare Farbe, und das Bouquet war exzellent - fruchtig und dunkel. Er trank noch einen Schluck und dachte über seine bisherigen Fortschritte nach. So weit, so gut. Mit etwas Glück würde er seine Antwort in Bezug auf Trevelyan beinahe sogleich erhalten - obwohl es notwendig werden konnte, noch einmal wiederzukommen, falls es Nessie jetzt nicht möglich war, mit den Mädchen zu sprechen, die zuletzt mit ihm zusammengewesen waren.
    Die Aussicht auf eine Rückkehr in das Bordell bereitete ihm jedoch keine Gewissensbisse, da es dieses unausgesprochene Einvernehmen zwischen ihm und Nessie gab.
    Er fragte sich, was sie wohl getan hätte, wenn er tatsächlich
an Stelle einer Auskunft an einer körperlichen Eskapade interessiert gewesen wäre. Ihre Einwände dagegen, einem von Cumberlands Männern dienstbar zu sein, schienen ihm zutiefst ernst gewesen zu sein - und ganz ehrlich gesagt fand er diese Einwände nicht unverständlich.
    Der Feldzug in den Highlands nach der Schlacht von Culloden war sein erster gewesen, und in seinem Verlauf hatte er Dinge gesehen, bei deren Anblick er sich geschämt hätte, Soldat zu sein, wenn er damals in der geistigen Verfassung gewesen wäre, sie zu begreifen. So jedoch war er taub vor Schrecken gewesen, und als er schließlich an wirklichen Kampfhandlungen teilnahm, war er längst in Frankreich und kämpfte gegen einen ehrbaren Feind - und nicht gegen die Frauen und Kinder eines besiegten Gegners.
    Culloden war in gewisser Weise seine erste Schlacht gewesen - wenn er auch dort nicht gekämpft hatte, dank der Skrupel seines älteren Bruders, der ihn zwar mitgenommen hatte, damit er Militärluft schnuppern konnte, jedoch bei der Teilnahme an Kampfhandlungen die Grenze zog.
    »Wenn du glaubst, ich gehe das Risiko ein, Mutter deine verstümmelte Leiche heimbringen zu müssen, dann bist du von Sinnen«, hatte Hal ihm grimmig mitgeteilt. »Du hast noch kein Offizierspatent; du bist noch nicht verpflichtet, dir den Hintern wegpusten zu lassen, also wirst du es auch nicht tun. Wage dich mit einem Fuß aus dem Lager - und ich werde dich vor dem versammelten Regiment von Sergeant O’Connell auspeitschen lassen, das verspreche ich dir.«

    Narr, der er mit sechzehn gewesen war, hatte er dies als monströse Ungerechtigkeit betrachtet. Als man ihm schließlich nach der Schlacht erlaubt hatte, das Schlachtfeld zu betreten, war er mit hämmerndem Puls hinausgegangen, die Pistole kalt in der verschwitzten Hand.
    Er hatte vorher mit Hector darüber gesprochen. Sie hatten in einem Nest aus Frühlingsgras dicht beieinander unter dem Sternenhimmel gelegen, ein wenig abseits von den anderen. Hector hatte zwei Männer Auge in Auge getötet - weiß Gott wie viele andere im Rauch der Schlacht.
    »Man kann es nie genau sagen«, hatte ihm Hector erzählt, der ihm immerhin vier beeindruckende Jahre voraus war und schon das zweite Leutnantspatent sein eigen nannte. »Nicht, wenn es nicht Auge in Auge geschieht, zum Beispiel mit einem Bajonett oder Schwert. Ansonsten ist überall schwarzer Rauch und Lärm, und man weiß gar nicht, was man eigentlich tut - man behält nur seinen Offizier im Auge und rennt, wenn er es sagt, feuert und lädt neu - und manchmal sieht man einen Schotten zu Boden gehen, aber man weiß nie, ob es der eigene Schuss war, der ihn erwischt hat. Es ist genauso gut möglich, dass er nur in ein Maulwurfsloch getreten ist!«
    »Aber wenn es dicht bei dir passiert - weißt du es.« Er hatte Hektor kräftig mit dem Knie gestoßen. »Wie ist es denn gewesen? Dein Erster? Und sag mir jetzt bloß nicht, dass du dich nicht daran erinnerst!«
    Hector hatte nach ihm getastet und seinen Oberschenkelmuskel gedrückt, bis er wie ein Karnickel gequietscht hatte, dann hatte er ihn an sich gezogen und Johns Gesicht in seine Schulterbeuge gedrückt.
    »Na gut, ich erinnere mich daran. Aber warte.« Er
schwieg einen Moment, und sein warmer Atem bewegte die Haare über Johns Ohr. Es war noch zu früh im Jahr für Mücken, doch der Wind wehte frisch und kühl über sie hinweg und kitzelte ihre Haut mit den Spitzen des wogenden Grases.
    »Es ist - na ja, es ist schnell gegangen. Leutnant Bork hatte mich und einen Kameraden um eine Baumgruppe herumgeschickt, um nachzusehen, ob dort etwas los war, und ich bin vorausgegangen. Ich habe eine Art Schlag und ein Husten hinter mir gehört, und ich dachte, Meadows - er war hinter mir -, ich dachte, er sei gestolpert. Ich habe mich

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