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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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umgedreht, um ihm zu sagen, dass er still sein sollte. Und da lag er auf dem Boden, den ganzen Kopf voll Blut, und ein Schotte ließ gerade den Steinbrocken fallen, mit dem er Meadows getroffen hatte, und bückte sich, um sein Gewehr aufzuheben. Sie sind wie Tiere, weißt du; nichts als wilde Bärte und Dreck, meistens barfuß und halb nackt dazu. Dieser hat aufgeblickt und mich gesehen. Er hat also versucht, das Gewehr aufzuheben und es mir über den Schädel zu ziehen, aber Meadows war darauf gefallen und ich - nun, ich habe einfach nur losgebrüllt und mich auf ihn gestürzt. Ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht; es war genau wie beim Exerzieren - es hat sich nur ganz anders angefühlt, als das Bajonett ihn durchbohrt hat.«
    John spürte, wie ein leichter Schauer den an ihn gepressten Körper durchlief, und er legte den Arm um Hectors Taille und drückte ihn beruhigend.
    »War er sofort tot?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Hector leise, und John spürte, wie er schluckte. »Er ist hintenüber gefallen und im Sitzen auf
dem Boden gelandet, und - und ich konnte das Gewehr nicht mehr festhalten, und so saß er dann da, und das Bajonett hat in ihm gesteckt, und der Kolben… er war auf dem Boden und hat ihn abgestützt, fast wie ein Jagdhocker.«
    »Und was hast du getan?« Er streichelte Hectors Brust und versuchte ungeschickt, ihn zu trösten, obwohl das im Moment völlig außerhalb seiner Macht lag.
    »Ich wusste, dass ich etwas hätte tun sollen - irgendwie versuchen sollte, ihm den Rest zu geben -, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie. Ich konnte einfach nur dastehen wie ein Weichling, und er hat aus diesem dreckigen Gesicht zu mir aufgestarrt, und ich…«
    Hector schluckte noch einmal heftig.
    »Ich habe geweint«, platzte es aus ihm heraus. »Ich habe immer wieder gesagt, ›es tut mir Leid, es tut mir Leid‹, und dabei geweint. Und er hat irgendwie den Kopf geschüttelt und etwas zu mir gesagt, aber es war in dieser Barbarensprache, und ich konnte nicht verstehen, ob er wusste, was ich gesagt hatte, oder ob er mich verflucht hat, oder ob er etwas wollte, Wasser vielleicht… ich hatte Wasser dabei …«
    Hector verstummte, aber John konnte am krampfhaften Klang seines Atems erkennen, dass er auch jetzt dem Weinen nah war. Seine Hand war so fest um Johns Oberarm geklammert, dass er bestimmt einen blauen Fleck bekommen würde, doch John hielt still, ganz still, bis Hectors Atem ruhiger wurde und sein eisenharter Griff sich endlich löste.
    »Es ist mir vorgekommen, als hätte es sehr lange gedauert«, sagte er und räusperte sich. »Obwohl das wahrscheinlich
gar nicht stimmt. Nach einer Weile ist einfach sein Kopf nach vorn gefallen, ganz langsam, und dort geblieben.«
    Er holte tief und seufzend Luft, als wollte er sich von der Erinnerung befreien, und nahm John beruhigend in den Arm.
    »Ja, den Ersten vergisst man nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es für dich einfacher sein wird - du wirst es besser machen.«
    Grey lag auf Nessies Bett, das Weinglas in der Hand, aus dem er langsam trank. Er starrte an die rußfleckige Decke, doch stattdessen sah er die grauen Wolken über Culloden. Es war einfacher gewesen - zumindest, es zu tun, wenn auch nicht, daran zu denken.
    »Du gehst mit Windoms Truppe«, hatte Hal gesagt und ihm eine lange Pistole gereicht. »Eure Aufgabe ist es, Überlebenden den Gnadenschuss zu geben. Durch das Auge ist es am sichersten, aber hinter dem Ohr geht es auch, wenn du merkst, dass du den Schuss ins Auge nicht ertragen kannst.«
    Das Gesicht seines Bruders war vor Anstrengung verkrampft gewesen, kreidebleich unter den Spuren des Pulverqualms. Hal war erst fünfundzwanzig, sah aber doppelt so alt aus. Der Regen klebte ihm die Uniform an den Körper, und er war mit dem Schlamm des Schlachtfeldes bedeckt. Er erteilte seine Befehle mit ruhiger, klarer Stimme, doch Grey spürte, wie die Hand seines Bruders zitterte, als dieser ihm die Pistole reichte.
    »Hal«, sagte er, als sein Bruder sich abwandte.
    »Ja?« Hal wandte sich zurück, geduldig, doch mit leerem Blick.

    »Kommst du zurecht, Hal?«, fragte er mit gesenkter Stimme, damit ihn niemand in der Nähe hören konnte.
    Hal schien seinen Blick auf irgendetwas weit hinter ihm geheftet zu haben; es kostete ihn sichtlich Mühe, seinen Blick von jenem fernen Ort zurückzuholen, um ihn auf das Gesicht seines jüngeren Bruders zu richten.
    »Ja«, sagte er. Sein Mundwinkel zitterte, als wollte er beruhigend lächeln, doch

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