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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Er hätte sich gern zugedeckt, doch das Mädchen lag auf dem zerknitterten Laken. Sie regte sich erneut, und er sah, wie eine Gänsehaut über sie hinwegwanderte. Sie
war noch dünner, als sie ihm am gestrigen Abend vorgekommen war, ihre Rippen warfen Schatten auf ihre Flanken, und die Schulterblätter stachen scharf wie Flügel aus ihrem knochigen, schmalen Rücken hervor.
    Er drehte sich auf die Seite und zog sie an sich, während er mit einer Hand versuchte, das feuchte Laken zu entwirren und es über sie beide zu ziehen - genauso sehr, um sie zu bedecken, als um seiner zweifelhaften Wärme willen.
    Ihr offenes Haar war dicht und lockig und lag weich an seinem Gesicht. Die Art, wie es sich anfühlte, verstörte ihn, obwohl es etwas dauerte, bis er begriff, warum. Sie hatte solches Haar gehabt - die Frau. Jamie Frasers Frau. Grey kannte ihren Namen - Fraser hatte ihn ihm gesagt -, und doch weigerte er sich hartnäckig, sie in Gedanken anders als »die Frau« zu nennen. Als wäre es ihre Schuld - und noch dazu allein die Schuld ihres Geschlechtes.
    Aber das ist in einem anderen Land gewesen , dachte er und zog die schmächtige Hure dichter an sich , und außerdem, die Frau ist tot . Das hatte Fraser gesagt.
    Doch er hatte den Ausdruck in Frasers Augen gesehen. Fraser hatte nicht aufgehört, seine Frau zu lieben, nur weil sie tot war - nicht mehr, als Grey damit aufhören konnte oder würde, Hector zu lieben. Doch die Erinnerung war eine Sache und das Fleisch eine andere; der Körper kannte kein Gewissen.
    Er schlang einen Arm um die feinknochige Gestalt des Mädchens und hielt sie fest an sich gedrückt. Fast keine Brüste und ein schmaler Hintern wie ein Junge, dachte er und spürte eine kleine Flamme vom Wein genährten Verlangens über die Innenseiten seiner Oberschenkel züngeln.
Warum nicht?, dachte er. Er bezahlte schließlich dafür.
    Doch sie hatte gesagt: »Ich bin aber eine Person, oder?« Und sie war keine der Personen, nach denen er sich sehnte.
    Er schloss die Augen und küsste sanft die Schulter neben seinem Gesicht. Dann schlief er wieder ein und trieb auf den Sturmwolken ihres Haars dahin.

7
    Grüner Samt
    Als er erwachte, war es helllichter Tag, und das Bordell unter ihm regte sich polternd. Das Mädchen war fort - nein, nicht fort. Er drehte sich um und sah sie am Fenster, mit ihrem Nachthemd bekleidet, die Lippen konzentriert zusammengepresst, während sie ihr Haar flocht und dabei die Reflektion im Nachttopf als Spiegel benutzte.
    »Na, endlich wach?«, fragte sie und betrachtete blinzelnd ihr Spiegelbild. »Ich dachte schon, ich müsste Euch eine Stopfnadel unter den Zehennagel schieben, um Euch zu wecken.« Sie band das Zopfende mit einem roten Haarband zusammen, dann drehte sie sich um und grinste ihn an.
    »Und, Lust auf Frühstück, Kumpel?«
    »Sprecht bloß nicht davon.« Er setzte sich langsam hin, eine Hand an die Stirn gepresst.
    »Oh, sind wir heute Morgen nicht ganz bei Laune?« Eine braune Glasflasche und ein Paar Holzbecher standen wie durch Zauberei auf dem Waschtisch; sie schenkte etwas ein, das die Farbe von Pfützenwasser hatte, und drückte ihm den Becher in die Hand. »Versucht das; Angriff ist schließlich die beste Verteidigung.« Sie schenkte
sich selbst einen großzügigen Schluck ein und trank es, als sei es Wasser.
    Es war kein Wasser. Dem Geruch nach, so dachte er, war es wahrscheinlich Terpentin. Dennoch, er hatte nicht vor, sich vor einer vierzehnjährigen Hure zu blamieren; er schüttete es in einem Schluck hinunter.
    Kein Terpentin, Vitriol. Die Flüssigkeit brannte sich ihren Weg geradewegs durch seine Speiseröhre und in seine Eingeweide, wobei sie die Höhlungen seines Kopfes mit einer Wolke aus Schwefeldampf füllte. Whisky, das war es, und zwar ziemlich roher Whisky.
    »Aye, das ist genau das Richtige«, sagte sie beifällig, denn sie beobachtete ihn. »Noch einen?«
    Da er kein Wort herausbrachte, kniff er seine tränenden Augen zu und hielt ihr seinen Becher entgegen. Noch ein beißender Schluck, und er konnte feststellen, dass er genügend Geistesgegenwart zurückerlangt hatte, um sich nach seinen verschwundenen Kleidern zu erkundigen.
    »Oh, aye. Hier drüben.« Sie hüpfte fröhlich auf wie ein Eichhörnchen und schob ein Wandpaneel beiseite, hinter dem eine Reihe von Kleiderhaken verborgen war, an denen seine Uniform und sein Unterzeug sorgfältig aufgehängt worden waren.
    »Habt Ihr mich ausgezogen?«
    »Ich sehe hier sonst niemanden; Ihr vielleicht?«

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