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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Veränderung seiner Miene. Grey war kein Mensch, der sich auf sein Aussehen verließ, doch er war sich bewusst, dass es bisweilen seine Wirkung nicht verfehlte.
    »Guten Abend«, sagte er und überschritt die Schwelle, als gehörte das Haus ihm. »Ich wünsche den derzeitigen Besitzer dieses Etablissements zu sprechen.«
    Der Butler trat erstaunt beiseite, und er merkte, wie die Gedankengänge des Mannes angesichts seiner Ausdrucksweise und seiner Manieren, die so gar nicht zu seiner
Kleidung passten, rapide die Richtung wechselten. Doch der Mann war gut ausgebildet und ließ sich nicht so leicht überrumpeln.
    »In der Tat, Sir«, sagte der Butler, ohne sich zu einer Verbeugung durchzuringen. »Und Euer Name?«
    »George Everett«, sagte Grey.
    Das Gesicht des Butlers verlor jeden Ausdruck.
    »In der Tat, Sir«, wiederholte er hölzern. Er zögerte und war sichtlich unentschlossen, was er tun sollte. Grey erkannte den Mann zwar nicht, doch dieser hatte George eindeutig gekannt - oder wusste von ihm.
    »Nennt diesen Namen bitte Eurem Herrn«, sagte Grey freundlich. »Ich werde ihn in der Bibliothek erwarten.«
    Er setzte sich nach links in Bewegung, vorbei an dem Tisch mit dem Uhrwerk in Form eines Männerkörpers, in die Richtung, wo sich, wie er wusste, die Bibliothek befand. Der Butler streckte die Hand aus, als wollte er ihn aufhalten, erstarrte dann jedoch, weil ihn etwas vor dem Haus ablenkte.
    »Wer ist denn das?«, sagte er, gründlich erschrocken.
    Als Grey sich umdrehte, sah er Tom Byrd im Licht stehen, das zur Tür hinausfiel - mit finsterem Blick, die Fäuste geballt und das Kinn so weit vorgeschoben, dass sich seine unteren Schneidezähne in seine Oberlippe gruben. Von seinen Abenteuern mit Schlamm bespritzt, sah er aus wie ein Wasserspeier, den jemand von seinem Aussichtspunkt gestürzt hatte.
    »Das, Sir, ist mein Kammerdiener«, sagte Grey höflich, wandte sich ab und schritt weiter den Flur entlang.
    Es befanden sich ein paar Männer in der Bibliothek, die am Kamin auf Sesseln saßen und beim Brandy plauderten,
ihre Zeitung auf dem Schoß. Es hätte auch die Bibliothek im »Beefsteak« sein können, nur dass jedes Gespräch bei Greys Eintreten abrupt abbrach und sich ein halbes Dutzend abschätzender Augenpaare unverhüllt auf ihn richtete.
    Glücklicherweise kannte er keinen von ihnen, und sie ihn auch nicht.
    »Meine Herren«, sagte er und verbeugte sich. »Stets zu Diensten.« Er wandte sich sogleich der Anrichte zu, auf der die Dekanter standen, und goss sich unter völliger Missachtung von Konvention und guten Manieren ein Glas der nächstbesten Flüssigkeit ein, ohne sich Zeit für die Feststellung zu nehmen, was es war. Er wandte sich wieder um und sah, dass sie ihn immer noch anstarrten und versuchten, die Widersprüche zwischen seiner Erscheinung, seinem Auftreten und seiner Stimme unter einen Hut zu bringen. Er starrte zurück.
    Einer der Männer erholte sich rasch und erhob sich.
    »Willkommen … Sir.«
    »Und wie lautet Euer Name, mein süßer Junge?«, fiel ein anderer lächelnd ein und warf seine Zeitung zu Boden.
    »Das ist meine Sache… Sir.« Grey erwiderte das Lächeln mit einem rasiermesserscharfen Unterton und trank einen Schluck aus seinem Glas. Portwein - so ein Pech.
    Die anderen hatten sich jetzt ebenfalls erhoben und umstellten ihn im Kreis. Sie beschnüffelten ihn wie ein Hund, der ein frisch getötetes Tier riecht. Halb neugierig, halb argwöhnisch, durch und durch fasziniert. Er spürte, wie ihm ein Schweißtropfen über den Nacken rann und sich sein Magen nervös verkrampfte. Sie waren alle ganz gewöhnlich
gekleidet, obwohl das gar nichts bedeutete. Das »Lavender House« hatte viele Zimmer und bediente viele Vorlieben.
    Jeder von ihnen war gut gekleidet, doch keiner trug eine Perücke oder Schminke. Und ein paar hatten die Halsbinden abgelegt und ihre Hemden und Westen geöffnet, um Vertraulichkeiten zu ermöglichen, die im »Beefsteak« niemand dulden würde.
    Der blonde Jüngling zu seiner Linken betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen und offensichtlichem Appetit; der kräftige Junge mit den braunen Haaren merkte das, und es gefiel ihm überhaupt nicht. Grey sah, wie er näher kam und Goldlöckchen gezielt anstieß, um ihn abzulenken. Dieser legte seinem Spielkameraden beruhigend die Hand auf das Bein, ohne jedoch den Blick von Grey abzuwenden.
    »Nun, wenn Ihr mir schon Euren Namen nicht nennt, so lasst mich meinen freiwillig verschenken.« Ein lockiger,

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