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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Bronzepferdes, das unten auf der Straße stand und Charles I. auf dem
Rücken trug. Er hatte schon in jungen Jahren eine geheime Vorliebe für diese Statue gehabt, seitdem ihm ein längst vergessener Tutor mitgeteilt hatte, dass der Monarch, der gute sechs Zentimeter kleiner gewesen war als Grey jetzt, sich zu Pferd hatte darstellen lassen, um mehr Eindruck zu machen - und dass er dabei seine Größe ganz unauffällig auf glatte ein Meter achtzig hatte aufrunden lassen.
    Ein leises Räuspern hinter ihm sagte ihm, dass Neil, das Flittchen, wie beabsichtigt zu ihm getreten war.
    »Möchtet Ihr etwas Wein, Sir?«
    Er drehte sich halb um, sodass der junge Mann mit seinem Tablett ganz natürlich vortreten und es auf der breiten Fensterbank abstellen konnte. Grey machte eine kleine, zustimmende Geste und sah mit kühler Miene zu, wie der Wein ausgeschenkt wurde.
    Stapletons Blick huschte zur Seite, um sich zu überzeugen, dass niemand sie beobachtete, dann schoss er zurück und heftete sich mit einem Ausdruck stummer Verzweiflung auf Grey.
    Bitte . Seine Lippen bewegten sich tonlos, während er Grey das Glas reichte. Der Wein bebte und schwappte in dem blinden Glas hin und her.
    Grey machte keine Anstalten, es sofort zu ergreifen, sondern warf ebenfalls einen Seitenblick auf Mr. Bowles’ gesenkten Kopf, dann wieder auf Stapletons, wobei er fragend die Augenbrauen hochzog.
    Ein Ausdruck blanken Entsetzens trat bei diesem Gedanken in Stapletons Augen, und er schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Grey streckte die Hand aus und legte sie um das Glas.
Dabei bedeckte er Neils Fingerspitzen. Er drückte kurz zu, dann nahm er das Glas und ließ die Augenlider sinken.
    »Ich danke Euch, Sir«, sagte er höflich.
    »Euer Diener, Sir«, sagte Stapleton genauso höflich und verbeugte sich, bevor er sich abwandte, um das Tablett zu nehmen. Grey fing den schwachen Geruch von Stapletons Schweiß auf, beißend vor Angst, doch der Dekanter und die restlichen Gläser zitterten nicht mehr, als er sie davontrug.
    Grey schmeckte den fauligen Wein kaum, halb erstickt wie er war, weil auch ihm das Herz im Halse schlug. Was in Gottes Namen ging hier vor? Er glaubte nicht, dass dieses Zusammentreffen etwas mit ihm zu tun hatte; Harry hätte ihn mit Sicherheit gewarnt - aber vielleicht hatte ja Stapleton … nein, sonst hätte ihm Greys Auftauchen kaum einen solchen Schrecken eingejagt. Aber was dann -
    Stühlerücken unterbrach ihn glücklicherweise bei diesen Spekulationen, bevor sie noch unzusammenhängender wurden.
    »Lord John?« Quarry war aufgestanden und sprach ihn formell an. »Darf ich Euch Mr. Hubert Bowles vorstellen? Major Grey.«
    Mr. Bowles war ebenfalls aufgestanden, obwohl das kaum auffiel, weil er so klein war, dass er jetzt kaum größer war als im Sitzen. Grey verbeugte sich höflich mit einem gemurmelten »Stets zu Diensten, Sir«.
    Er nahm auf dem Hocker Platz, den man ihm zuwies, und sah sich einem Paar sanfter Augen gegenüber, die die vage Schieferfarbe eines Neugeborenen hatten und ihm aus einem Gesicht entgegenblickten, dessen Züge so individuell
waren wie die eines Puddings. Es lag ein kühler Geruch in der Luft; etwas, das wie sehr alter Schweiß roch, jedoch mit einem Hauch von eitriger Fäulnis versetzt. Er konnte nicht sagen, ob es von der Ausstattung des Zimmers kam oder von dem Mann vor ihm.
    »Mylord«, sagte Bowles mit lispelnder Stimme, die kaum mehr war als ein Flüstern. »Es ist sehr freundlich von Euch, Euch zu uns zu gesellen.«
    Als wäre ich aus freien Stücken hier , dachte Grey zynisch, verbeugte sich jedoch nur und murmelte eine Höflichkeitsfloskel als Erwiderung, während er sich Mühe gab, ausschließlich durch den Mund zu atmen.
    »Oberst Quarry hat mir von Euren Bemühungen und Entdeckungen berichtet«, sagte Bowles und drehte mit kurzen, vorsichtigen Fingern ein Blatt Papier um. »Ihr seid außerordentlich gründlich gewesen.«
    »Ihr schmeichelt mir zu sehr, Sir«, sagte Grey. »Ich habe doch nichts Konkretes herausgefunden - ich gehe davon aus, dass wir hier von Tim O’Connells Tod reden?«
    »Unter anderem.« Bowles lächelte freundlich, doch der vage Ausdruck in seinen Augen änderte sich nicht.
    Grey räusperte sich, und erst jetzt schmeckte er das scheußliche Aroma des Weins, den er geschluckt hatte.
    »Ich nehme an, Oberst Quarry hat Euch mitgeteilt, dass ich keinen Beweis finden konnte für eine Verstrickung O’Connells in… die vorliegende Angelegenheit.«
    »Das hat er.« Bowles

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