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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gespräch über Pferderennen verwickelte, doch sein Blick wanderte ruhelos im Raum umher und registrierte jeden, der kam oder ging.
    Nach ein paar Minuten dieses Schauspiels sagte Quarry ganz leise: »Wartet zwei Minuten, dann folgt mir.« Er trank den Rest seines Biers, schob das leere Glas achtlos beiseite und ging. Dabei benutzte er den Hinterausgang, als wollte er den Abort aufsuchen.
    Etwas verdutzt trank Grey ganz in Ruhe den Rest seines Ale, dann erhob er sich ebenfalls.
    Die Sonne sank bereits, doch es war noch hell genug, um zu sehen, dass der enge Hinterhof des »Golden Cross« leer war, abgesehen von dem üblichen Gerümpel aus Abfällen, feuchter Asche und kaputten Fässern. Die Tür des Aborts stand einen Spalt offen, und auch dieser war leer - bis auf eine Fliegenwolke, die sich des milden Wetters erfreute. Grey verscheuchte gerade eine Anzahl dieser vorwitzigen Insekten, als er eine Bewegung im Halbdunkel am Ende des Hofes sah.
    Er näherte sich vorsichtig und entdeckte einen sympathischen jungen Mann, der ordentlich, aber unauffällig gekleidet war und ihn anlächelte, sich dann aber grußlos umwandte. Er folgte dieser Eskorte und fand sich auf einer wackeligen Treppe wieder, die zwischen der Wand des Wirtshauses und dem angrenzenden Gebäude entlanglief und an einer Tür endete, die wahrscheinlich die Privaträume des Wirtshausbesitzers behütete. Der junge Mann öffnete sie, trat ein und winkte ihm, zu folgen.

    Er war sich nicht ganz sicher, welche Erwartung diese einleitende Geheimnistuerei in ihm geweckt hatte, doch die Realität war herzlich unaufregend. Das Zimmer hatte niedrige Deckenbalken; es war dunkel und verkommen, möbliert mit den abgenutzten Gegenständen eines schäbigen Alltags - einer heruntergekommenen Anrichte, einem aus Brettern zusammengezimmerten Tisch mit einer Bank und Hockern, einem beschädigten Nachttopf, einer rauchenden Lampe und einem Tablett mit fleckigen Gläsern und einem Dekanter mit trübem Wein. Dazu zierte völlig unpassenderweise eine kleine Silbervase den Tisch, in der ein Strauß leuchtend gelber Tulpen stand.
    Harry Quarry saß direkt neben den Blumen und unterhielt sich mit einem kleinen, altmodisch aussehenden Mann, der Grey seinen fetten Rücken zugewandt hatte. Quarry blickte auf und zog eine Augenbraue hoch, um anzuzeigen, dass er Grey gesehen hatte, wies ihn aber mit einer knappen Handbewegung an, sich kurz im Hintergrund zu halten.
    Der diskrete junge Mann, der ihn hergebracht hatte, verschwand durch eine Tür im Nebenzimmer; ein anderer junger Mann war am anderen Ende des Zimmers damit beschäftigt, auf der Anrichte einen Stapel Papiere und Mappen zu sortieren.
    Irgendetwas an diesem Mann weckte eine Erinnerung, und er trat einen Schritt auf ihn zu. Der junge Mann wandte sich plötzlich um, die Hände voller Papiere, blickte auf und erstarrte mit offenem Mund wie ein Goldfisch. Eine Perücke bedeckte seine goldenen Locken, doch es machte Grey keine Schwierigkeiten, das weiße Gesicht darunter zu erkennen.

    »Mr. Stapleton?« Der fette, kleine Mann am Tisch drehte sich nicht um, sondern hob nur eine Hand. »Habt Ihr es gefunden?«
    »Ja, Mr. Bowles«, sagte der junge Mann, die brennenden, blauen Augen nach wie vor auf Greys Gesicht geheftet. Er schluckte, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. »Schon unterwegs.«
    Grey, der keine Ahnung hatte, wer dieser Mr. Bowles sein könnte oder was hier eigentlich vorging, schenkte Stapleton ein kleines, rätselhaftes Lächeln. Der junge Mann riss den Blick von ihm los und trat zu dem fetten Mann, um ihm die Blätter zu geben, konnte es sich aber nicht verkneifen, sich erneut rasch und ungläubig umzusehen.
    »Danke, Mr. Stapleton«, sagte der untersetzte Mann, und sein Tonfall verdeutlichte, dass dieser nicht mehr gebraucht wurde. Mr. Stapleton alias Neil, das Flittchen, verbeugte sich ruckartig und setzte sich in Bewegung. Dabei huschte sein Blick wiederholt zu Grey wie der eines Mannes, der gerade ein Gespenst gesehen hat, jedoch hofft, dass es so höflich sein wird, vor dem nächsten Hinsehen zu verschwinden.
    Quarry und der schäbige Mr. Bowles hatten immer noch die Köpfe zusammengesteckt und unterhielten sich murmelnd. Grey schlenderte unauffällig zu einem offenen Fenster, wo er stehen blieb, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, als schnappte er zur Erholung von dem Mief im Inneren des Zimmers frische Luft.
    Die Sonne war fast untergegangen, und ihre letzten Strahlen spiegelten sich auf dem Rumpf des

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