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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ließ den Blick von Grey zu den gelben Tulpen wandern. Grey sah, dass sie orange Kelche hatten und im letzten Sonnenlicht wie geschmolzenes Gold glänzten. Wenn sie einen Duft hatten, war er unglücklicherweise nicht kräftig genug, um wahrnehmbar
zu sein. »Oberst Quarry ist der Ansicht, dass es Euch bei Euren Ermittlungen helfen würde, wenn wir Euch über die Ergebnisse unserer eigenen … Nachforschungen unterrichten würden.«
    »Ich verstehe«, sagte Grey, obwohl er bis jetzt noch gar nichts verstand. »Unsere eigenen Nachforschungen.« Und wer genau waren »wir«? Harry saß zusammengesunken auf seinem Hocker, ein unberührtes Glas Wein in der Hand, das Gesicht bewusst ausdruckslos.
    »Wie Euch der Oberst, glaube ich, mitgeteilt hat, gab es mehrere Verdächtige, als der Diebstahl geschah.« Bowles’ kleine, weiche Pranke spreizte sich über die Papiere. »Es wurden sofort durch mehrere Instanzen Nachforschungen über all diese Männer angestellt.«
    »Davon war ich ausgegangen.«
    Trotz des offenen Fensters war es sehr warm in der Kammer, und Grey konnte spüren, dass ihm das Hemd am Rücken klebte und ihn der Schweiß an den Schläfen kitzelte. Er hätte sich gern mit dem Ärmel über das Gesicht gewischt, doch irgendwie zwang ihn die Gegenwart dieses merkwürdigen Mannes, einfach nur zu nicken und stocksteif in Hab-Acht-Stellung dazusitzen.
    »Ohne Details zu verraten -« Ein schmales Lächeln huschte bei diesen Worten über Bowles’ Gesicht, als hätte die Vorstellung, anderen Details vorzuenthalten, insgeheim etwas Köstliches an sich. »Ich kann Euch verraten, Major, dass es inzwischen so gut wie sicher ist, dass Sergeant O’Connell der Schuldige gewesen ist.«
    »Ich verstehe«, sagte Grey erneut vorsichtig.
    »Wir haben ihn natürlich aus den Augen verloren, als der Mann, der ihn beschattet hat - er hieß Jack Byrd,
nicht wahr? -, am Samstag verschwunden ist.« Grey war sich völlig sicher, dass Bowles den Namen wusste, dass er höchstwahrscheinlich eine ganze Menge mehr wusste als das.
    »Wir haben jedoch«, fuhr Bowles fort und streckte einen seiner Stummelfinger aus, um die schimmernden Blütenblätter zu berühren, »gerade einen Bericht aus einer anderen Quelle erhalten, die O’Connell am Freitag an einem bestimmten Ort gesehen hat. Das war der Tag vor seinem Tod.«
    Ein Schweißtropfen hing an Greys Kinn; er konnte spüren, wie er dort zitterte, genau wie die Pollenkörner an den weichen, schwarzen Stempeln der Tulpen.
    »Ein ausgesprochen ungewöhnlicher Ort«, fuhr Bowles fort und strich mit verträumter Sanftheit über das Blütenblatt. »Ein Etablissement namens ›Lavender House‹, in der Nähe von Lincoln’s Inn. Habt Ihr schon einmal davon gehört?«
    Oh, Himmel . Er konnte die Worte deutlich hören und hoffte, dass er sie nicht laut ausgesprochen hatte. Das war’s dann also.
    Er setzte sich noch gerader hin und wischte sich mit dem Handrücken den Schweißtropfen vom Kinn, auf das Schlimmste gefasst.
    »Ja, das habe ich. Ich bin letzte Woche selbst im ›Lavender House‹ gewesen - im Rahmen meiner Nachforschungen.«
    Dies schien Bowles - natürlich! - nicht im Geringsten zu erstaunen. Grey war sich bewusst, dass Quarry neben ihm ein neugieriges, jedoch kein alarmiertes Gesicht machte. Er war sich einigermaßen sicher, dass Quarry
keine Vorstellung von der Natur des »Lavender Houses« hatte. Er war sich völlig sicher, dass Bowles Bescheid wusste.
    Bowles nickte freundlich.
    »Aha. Was ich mich frage, Major, ist, was Ihr über O’Connell herausgefunden habt, das Euch zu diesem Ziel geführt hat.«
    »Es - war nicht O’Connell, über den ich Erkundigungen eingezogen habe.« Bei diesen Worten rutschte Quarry ein wenig hin und her und stieß ein leises »Hmpf!« aus.
    Es war nicht zu ändern. Grey befahl Gott seine Seele an, holte tief Luft und erzählte die ganze Geschichte seiner Erkundungszüge über das Leben und Benehmen des Joseph Trevelyan.
    »Ein grünes Samtkleid«, sagte Bowles, der kaum erstaunt klang. »Du liebe Güte.« Seine Hand hatte sich von den Tulpen gesenkt und schmiegte sich nun besitzergreifend um den runden Bauch der Silbervase.
    Greys Hemd war inzwischen durchgeschwitzt, doch er hatte keine Angst mehr. Im Gegenteil, er spürte eine seltsame Ruhe, als sei ihm die Sache nun völlig aus der Hand genommen worden. Was als Nächstes geschah, lag in der Hand des Schicksals, oder Gottes - oder Hubert Bowles’, wer in Gottes Namen er auch immer sein

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