Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
gegeben zu leben, und ich will das Beste daraus machen.«
Meuric schüttelte nur den Kopf. »Du hast nicht die leiseste Ahnung, welche Probleme du verursacht hast.« Er trat näher und sah mir fest in die Augen. Wir waren gleich groß, daher musste keiner von uns den Blick heben oder senken. Er wirkte trotzdem viel größer als ich. »Ich verstehe«, sagte er. »Du bist jung. Deine Welt dreht sich um dich. Oder du bist einfach
außer Stande, Rücksicht auf andere zu nehmen, so wie dein Vater. Er hat auch immer Fragen gestellt, um herauszufinden, warum Menschen wiedergeboren werden.«
»Neugier ist kein Verbrechen.«
»Deine Fragen machen mir das Leben schwer.«
»Glücklicherweise bin ich, wie du gesagt hast, egozentrisch genug, dass mir das egal ist.« Ich warf einen Blick auf die Grube, konnte jedoch die Entfernung nicht einschätzen, das allgegenwärtige Licht machte Tiefenwahrnehmung unmöglich. »Ich habe beschlossen, nicht mit dir zu gehen. Ich werde den Weg hinaus selbst finden.«
»Dann wirst du den Tempel niemals verlassen.«
Nein, ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, was ich brauchte. Oder zumindest, wo ich es finden konnte. Ich stürzte mich auf Meuric, und das Gewicht des Rucksacks machte den Angriff unbeholfener als nötig.
Er war jung und schnell genug, dass er hätte zur Seite springen können, aber vielleicht hatte er es vergessen. Diese Körperwechselei musste verwirrend sein. Stattdessen ließ er sich zu Boden fallen und zog mich mit sich, und seine Nägel gruben sich durch den Stoff in meinen Arm. »Was soll denn das?« Er stand auf und zerrte mich hoch, für seine Größe war er stark.
Ich stürzte mich auf seine Tasche und auf das, was darin sein mochte.
Mit einem Ächzen packte er mich an den Schultern, um mich durch den Raum zu schleudern, aber ich bekam den Stoff seiner Tasche zu fassen – nicht ihren Inhalt –, und er fiel mit mir. Ich stieß ihm den Ellbogen in die Rippen und versuchte, einen Vorteil zu gewinnen, doch er war stärker, und seine Ellbogen waren spitzer.
Wir rangen miteinander, beide darum bemüht, an seine Tasche
zu kommen und von der umgedrehten Grube wegzubleiben. Als wir ihr näher kamen, versetzte er mir einen Stoß, aber ich warf mich zur Seite, ehe ich unter die Öffnung gestolpert wäre.
Meine Schulter krachte auf den Boden, und ein stechender Schmerz schoss mir den Arm entlang. Mein Fuß, der unter der Grube gelandet war, hing nach oben, als sei die Schwerkraft umgekehrt worden. Ich zog ihn herunter – er war so schwer, als würde ich ihn aus der Grube heben – und kroch davon, als Meuric angriff.
Er schlug mich auf die schmerzende Schulter, und ein taubes Gefühl lief mir bis in die Finger. Mit der freien Hand zog ich Sams Messer und stieß zu, es war mir egal, wohin es traf, Hauptsache, es traf irgendwo.
Fleisch schmatzte und platzte.
Blut spritzte und tropfte aus seinem Auge.
Sein Gesicht nahm einen schockierten und dann einen leeren Ausdruck an, als ich das Messer herauszog und bei dem metallischen Geruch von Blut und Salz würgen musste. Ich vermied es, in sein jugendliches Gesicht zu blicken, als ich ein dünnes, SAK-großes Gerät in seiner Tasche fand. Es war aus Silber. Seine anderen Taschen waren leer, also musste dies das Gerät sein, das mich hier herausbringen würde.
Meuric stöhnte und hielt sich sein zerstörtes Auge. Ich konnte nicht begreifen, dass er immer noch lebte, aber das Messer war nicht lang genug, um bis zu seinem Gehirn vordringen zu können. Meine Magensäure brodelte. Ich wischte die Klinge an Meurics Mantel sauber, dann trat ich ihn unter die Grube. Sie saugte ihn so schnell nach oben, als würde er stürzen.
Mir schwirrte der Kopf, und ich musste mich übergeben.
Ich hatte ihn umgebracht .
Wenn er wiedergeboren wurde, würde er sein ganzes Leben versuchen, mich zu töten. Er würde vielleicht sogar dem Rat sagen, was ich getan hatte. Ich konnte ihnen zeigen, was ich in seiner Tasche gefunden hatte, ihnen sagen, was geschehen war, bevor er zurückkehrte, aber es war unwahrscheinlich, dass sie mir glauben würden. Ich war die Seelenlose.
Unter Schmerzen zog ich mich in eine sitzende Position und studierte das Gerät. Es glänzte silbern in dem alles umgebenden Licht, und in das Metall waren fünf Bilder eingraviert. Es waren eine horizontale Linie, eine vertikale Linie, ein Viereck, ein Kreis und ein Diamant. Keins sah aus wie eine Tür, und ich wusste nicht, ob die Berührung eines Symbols
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