Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
nach unten führen könnte. Ich stellte die Füße fest auf den Boden und funkelte Meuric an. »Was machst du hier?« Mein Herz klopfte so heftig gegen meine Rippen, dass ich erwartete, meine Knochen würden brechen. »Was ist draußen los?«
»Ich habe dich hier hereinlaufen sehen. Ich bin gekommen, um zu helfen.«
Das war unwahrscheinlich. Ich war seit mindestens einer Stunde hier. Es sei denn, im Tempel verlief die Zeit anders.
Er kam weiter herangeschlichen, wachsam, als wäre ich ein wildes Tier. Tatsächlich fühlte ich mich wie eines, es juckte mich in den Beinen wegzulaufen, aber ich blieb und kämpfte gegen den Adrenalinschub an. Meuric schüttelte den Kopf und sprach leise und gleichmäßig. »Draußen herrscht Chaos. Drachen und Sylphen. Sie kamen, kurz nachdem du verschwunden bist.«
Drachen und Sylphen? Meine Hände kribbelten bei der Erinnerung.
»Das ist noch nie zuvor passiert, beide zusammen.« Er stellte sich vor mich hin und ließ mich nicht aus den Augen. »Weißt du etwas darüber?«
Wie weit konnte ich zurückgehen, bevor ich fiel? Ich konnte es nicht sagen.
»Ana.« Er sprach sanft, als würde das etwas ändern. Der Tempel hatte immer noch einen Herzschlag. Die Luft erstickte immer noch jedes Geräusch. Alles, was wir sagten, war tonlos, kaum hörbar. Das Einzige, was widerhallte, war Janan – vielleicht war es Janan.
»Du solltest daheim bei Li sein. Dort wärest du in Sicherheit. Drachensäure kann den Mauern nichts anhaben.«
Das hatte ich bei dem Angriff auf dem Markt gesehen. War das Janans Werk?
»Was ist mit den Sylphen?« Ich kratzte mir die Handrücken. Die Brandwunden hatten gejuckt wie verrückt, als sie verheilten, und Sam hatte immer gedroht, mir die Hände bis in alle Ewigkeit zu verbinden, wenn ich nicht damit aufhörte, das Gefühl zu lindern, dass etwas unter meiner Haut herumkroch.
»Sylphen …« Meuric hob wieder den Blick zu der Grube. »Sie kommen nicht durch den Stein.«
Das hieß nicht, dass sie keine Türen oder Fenster benutzen konnten. Lis Haus war nicht sicherer als der Marktplatz, wenn es um Sylphen ging.
»Warum bist du nicht zu Hause?«, fragte er noch einmal.
Ich schob mich auf die Wand zu, um nicht zwischen ihm und dem Loch in der Falle zu sitzen. Meine Stimme zitterte. »Ich habe den Drachendonner gehört und bin gerannt.« Stimmte irgendwie. »Ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hinlief. Ich hatte solche Angst. Dann erschien eine Tür, und ich lief hinein, aber ich habe diesen Teil des Rathauses noch nie gesehen.«
Ein Zucken ging über sein Gesicht, als schätze er mich neu ein. Hoffentlich war er zu dem Schluss gekommen, ich sei ein Idiot.
Als ich klare Sicht auf den Sprecher und auf die Grube hatte, blieb ich stehen und senkte die Stimme. »Sind wir im Tempel?«
Er verengte die Augen – wahrscheinlich war ich zu dramatisch gewesen –, nickte jedoch. »Ja, deine Tür hat in den Tempel geführt.«
»Ich dachte, es gäbe keinen Weg hinein.« Ich warf einen Blick zur Grube. Er würde mich vielleicht unterschätzen, wenn er wüsste, wie viel Angst ich hatte. Trotzdem war es demütigend, erwischt zu werden, wenn ich so in Panik war. »Warum ist alles umgekehrt?«
»Ich weiß es nicht.«
Dieser Raum machte mir eine Gänsehaut, doch ich wusste nicht, in welche Richtung ich gehen sollte. Andere Bogen erschienen und verschwanden am Rande meines Sichtfeldes. Jeder von ihnen konnte in die Freiheit führen, aber wahrscheinlicher war es, dass sie mich an einen noch schlimmeren Ort bringen würden. »Bevor du hier warst, habe ich eine Stimme gehört.« Ich drückte die Hände aufs Herz. »War das Janan?«
Meuric presste die Lippen zusammen. »Ja.«
Ich hielt den Blick auf ihn geheftet und versuchte, den Rest des Raumes aus dem Augenwinkel abzusuchen. Da war nichts, bis auf die Grube und einen dunklen Bogen hie und da. »Er sagte, ich sei ein Fehler. Denkst du, er meinte, ich hätte nicht geboren werden sollen?«
Der Sprecher schwieg.
»Ich weiß von Ciana. Ich habe Frase zu Li sagen hören, dass sie nie zurückgekommen ist. Halb Heart glaubt, ich hätte sie ersetzt. Darum hassen sie mich.«
Meuric zuckte zusammen. »Es tut mir leid, Ana. Ich wünschte, ich könnte deine Fragen beantworten. Ich weiß es einfach nicht. Ich war genauso verwundert wie alle anderen, als du geboren wurdest. Ich kann dir nur sagen, dass die Worte außen am Tempel wahr sind: Janan hat uns Leben gegeben. All unsere Leben. Vielleicht ist etwas schiefgegangen,
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