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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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bist.«
    Das klang gar nicht gut. Ich war die Ana. »Abgesehen von dir hat sich nie jemand die Mühe gemacht, mit mir zu reden. Nicht einmal Li.«
    »Im letzten Leben konnte niemand ihn dazu bringen, auch nur ein Mal den Mund zu halten.«
    Ich hätte beinahe »sie« korrigiert, biss mir jedoch auf die Lippe. Es war schwer, daran zu denken, dass meine Mutter, eindeutig eine Frau, vorher männlich gewesen war. Anderer Körper. Anderes Leben. Stattdessen fragte ich: »Was ist mit den anderen? Hat Li es ihnen verboten? Oder wollten sie sich einfach nicht die Mühe machen?«
    Sam nahm ein Messer und ein Stück Hartkäse aus seiner Tasche und begann zu schneiden. »Im Ernst? Ich denke, die Leute sind sich nicht sicher, ob es sich lohnt, dich kennen zu lernen. So als würde man entscheiden, ob es sich lohnt, sich mit einem Schmetterling anzufreunden, obwohl er am nächsten Morgen vielleicht nicht mehr da ist.«
    Das Atmen tat weh. »Was ist mit dir?«
    »Das solltest du inzwischen wissen.«
    Ich wusste es nicht, aber das wollte ich nicht zugeben. »Nichts hat dich daran gehindert, mich schon früher zu sehen. Ich hätte jemanden brauchen können, jemanden« – nicht einen Freund, das war zu vertraut – »jemanden zum Reden.«
    Er schenkte mir eins seiner kleinen Lächeln. »Li hat mich daran gehindert. Wir kommen schon seit einigen Leben nicht gut miteinander aus. Und ich wusste nicht, wie sie dich behandelt. Ich kann nicht sagen, ob ich etwas hätte tun können, wenn ich es gewusst hätte, aber ich hätte es vielleicht versucht.«
    Vielleicht. Es spielte keine Rolle, was er darüber sagte, dass
ich mächtig sei. Ich war für alle nur ein Schmetterling, und warum sollte sich jemand, der bei Verstand war, die Mühe machen, einen Schmetterling zu retten?
    Er bot mir eine Scheibe Käse an, aber ich hatte keinen Hunger mehr. »Du musst essen.«
    »Sagt der Mann, der mir gerade erklärt hat, dass ich tun kann, was ich will.« Ich zuckte zurück – Li hätte mir dafür eine Ohrfeige verpasst –, aber er wandte sich einfach wieder seinem Mittagessen zu.
    »In Ordnung.« Er aß die ganze Mahlzeit alleine auf und bot mir nichts mehr an. Als er fertig war, faltete er die Decke zusammen und warf sich die Tasche über die Schulter. »Zeit zu gehen.«
    Ein Teil von mir hatte das Gefühl, ich sollte mich entschuldigen, hauptsächlich, weil ich nicht wollte, dass er mich ignorierte, aber keiner von uns hatte etwas Falsches gesagt oder getan. Wir waren einfach irgendwie … sauer geworden. Ich seufzte und spielte eine Weile mit meinen Verbänden herum, bevor ich ihm eine Hand auf die Schulter legte, sachte, um meine verheilende Haut nicht zu reizen. »Sam?«
    Er blieb stehen. »Hast du jetzt Hunger?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, dass du mit mir sprichst.« Vor allem in der Hütte. Vielleicht hatte er nur deshalb stundenlang weitergeredet, damit ich nicht vor Schmerzen weinte – vielleicht hatte er nur seine eigenen Ohren retten wollen –, aber er hatte es getan, und er war vorsichtig und sanft gewesen. Das bedeutete mir alles. Wenn ich es ihm bloß nicht sagen müsste, um ihm das zu sagen. »Ich werde von keinem anderen erwarten, dass er so ist wie du.«
    »Niemand weiß, ob du lange da sein wirst. Das war der Grund, warum die Leute nicht besonders herzlich gewesen sind.«

    »Ich werde mein ganzes Leben lang da sein«, flüsterte ich, leiser als die Brise im Wald, das Klopfen meines Herzens und das Schlagen meiner unsichtbaren und körperlosen Flügel. »Für mich ist das eine lange Zeit.«
    Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte.

KAPITEL 7
Mauern
    Als wir aus dem Wald kamen, erhob sich vor uns eine hohe weiße Mauer wie eine glatte Wolkenbank vor dem kobaltblauen Himmel. Sie erstreckte sich in beide Richtungen, so weit das Auge reichte, und schmiegte sich an alle Senken und Erhebungen der Ebene, auf der Heart gebaut worden war.
    Tore aus Eisen und Messing schützten den südlichen Mauerbogen, der in die Stadt führte, aber so breit der Eingang auch war, dahinter konnte ich nichts erkennen. Nur Dunkelheit.
    »Sieh nach oben.« Sam stand neben mir, eine Hand um Zottels Führstrick gelegt, die andere in der Tasche.
    Seine Wangen waren rot vor Kälte, aber sein Lächeln war breit und entspannt. Bartstoppeln verdunkelten sein Kinn wie Schatten, und seine Lippen waren rissig vom Wind. Es war ein langer Marsch gewesen, und er hatte pausenlos geredet. Er hatte mich auf Ruinen aufmerksam gemacht,

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