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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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meist verfallene Hütten, aber es waren auch einige rätselhafte Steinhügel darunter gewesen. Wir waren an fünf gewaltigen Friedhöfen vorbeigekommen und stehen geblieben, um sie uns anzusehen, während Sam mir Geschichten über die Menschen erzählt hatte, die dort begraben lagen.
    Anscheinend hatte ich nicht schnell genug reagiert. Er sah mich an, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Neckerei und Neugier. »Nicht mich.« Er knuffte mich mit dem Ellbogen. »Schau dir Heart an. Schau nach oben.«

    Über der Mauer ragte ein riesiger Turm in den Himmel, höher als hundert alte Mammutbäume übereinander. Er verschwand in einer Wolke, weißer Stein, der den Dunst im Vergleich dazu schmutzig aussehen ließ. »Was ist das?« Mir war eng um die Brust, als würde mich etwas zerquetschen und daran erinnern, dass ich seelenlos war. Ich widerstand dem Drang, vor dem Turm zurückzuweichen, damit er mich nicht wahrnahm.
    »Der Tempel.« Jetzt musterte er mich besorgt, was er viel zu oft tat. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Er schien nichts Ungewöhnliches an dem Turm zu bemerken, schien nichts Ungewöhnliches zu spüren. Also war es wahrscheinlich eine Nebenwirkung meines Neuseins. »Ja, klar.« Ich verschränkte die Arme, wobei ich auf meine Verbände Acht gab. Es waren heute nicht mehr so viele, die Verbrennungen taten nicht mehr so weh. Dick aufgetragener Balsam half. »Das ist also ein Tempel? Wofür?«
    Er ging weiter, den Blick auf die Stadt gerichtet. Oder den Tempel. »Es ist eine alte Legende. Viele Menschen haben vor Tausenden von Jahren aufgehört, daran zu glauben.«
    Die Erinnerung war wie eine Ohrfeige. Er war alt . Er erweckte nur den Eindruck, in meinem Alter zu sein. »Warum?«
    »Weil nie etwas passiert ist, nicht einmal, seit wir Heart entdeckt und zu unserer Heimat gemacht haben.«
    Ich suchte in meinem Gedächtnis nach etwas darüber, aber Lis Bibliothek war klein gewesen. Und falls Sam etwas darüber in der Hütte vorgelesen hatte, musste es gewesen sein, als ich zwischendurch eingenickt war. »Vielleicht fangen wir am Anfang an? Was ist deine allererste Erinnerung?«
    Er lächelte und schnippte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Vielleicht später. Um ehrlich zu sein, einige der frühesten Erinnerungen sind verloren, was einer der Gründe ist,
warum wir angefangen haben, Tagebuch zu führen. Das Gedächtnis kann eine Menge abspeichern, aber nach einer Weile verblassen unwichtigere Dinge, um Platz zu schaffen. Man hat schließlich keine kristallklare Erinnerung an jedes einzelne Detail seines Lebens. Oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. An einige Dinge wollte ich mich auch gar nicht erinnern. Wie viele Erinnerungen hatte Sam freiwillig aufgegeben?
    »Aber in manchen stimmen unser aller Erinnerungen fast völlig überein. Dazu gehört, dass wir als kleine, über das ganze Reich verstreute Stämme begonnen haben. Manche sagen, wir alle seien dort plötzlich da gewesen. Andere bestehen darauf, dass dies nur bei einigen wenigen der Fall gewesen sei und dass die Übrigen geboren wurden.« Er sah mich von der Seite an. »Ich erinnere mich überhaupt nicht daran. Diese Wahrheit ist für immer verloren.«
    »Niemand hat es aufgeschrieben?«
    »Wir kannten damals noch keine Schrift. Wir hatten unsere Sprache, aber ich nehme an, wir haben nicht darüber geredet, weil wir andere Probleme hatten. Ein großer Teil unserer frühen Leben war auf das nackte Überleben konzentriert. Es dauerte eine Weile zu lernen, was man gefahrlos essen konnte und was nicht, dass man nicht von allen heißen Quellen trinken oder darin baden konnte, und die Geysire – erinnere mich später daran, dass ich dir erzähle, wie einer ausbrach, während Sine darüberstand.« Er begann zu grinsen, aber andere Erinnerungen überschatteten das, was an Sines Missgeschick so komisch gewesen war. »Wir mussten uns auch darauf konzentrieren, uns von Drachen und Kentauren fernzuhalten … und von anderen Dingen.«
    »Sylphen.«
    Er nickte. »Wir haben Bilder in die Erde und auf Wände
gezeichnet, aber sie waren nicht von Dauer, und wir konnten die – in Ermangelung eines besseren Ausdrucks – Kunstwerke der anderen nicht immer übersetzen. Dinge gingen verloren und wurden falsch interpretiert. Ich nehme an, wir gaben einfach auf.«
    »Okay.« Während wir uns der Stadt näherten, konnte ich kleinere Metallrohre ausmachen, die aus dem südöstlichen Viertel der Stadt ragten. Antennen vielleicht oder Sonnenkollektoren. Vielleicht beides.

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