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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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begann dann von Neuem. Er machte so weiter, manchmal nur ein paar Noten. Vielleicht schrieb er es auf, wie er gesagt hatte.
    Ich schloss die Augen und lauschte, bis das Wasser kalt wurde, dann trocknete ich mich ab, zog mich an und flocht mein Haar.
    Als ich über die Galerie spähte, hatte Sam sich noch nicht gewaschen, sondern saß nur mit einem Stapel linierten Papiers und einem Bleistift am Klavier. Er summte, während er Kreise und Punkte auf die Linien zeichnete und die Noten mit den Tasten überprüfte.
    Ich schlich die Treppe hinunter und ging zu einem breiten Sessel mit weichen Kissen und einer Spitzendecke.

    Sam nahm mich nicht wahr, so vertieft war er in seine Arbeit. Ich ließ meinen Blick über das Wohnzimmer mit all seinen Instrumenten wandern. Keine Seidenwände hier unten. Stoff absorbierte Geräusche, das hatte ich in einem seiner Bücher gelesen.
    Regale teilten die Küche ab, obwohl darauf kaum Bücher standen. Sie waren angefüllt mit Knochenflöten, etwas, das aus Straußenfedern und Gabelbockgeweihen gemacht war, und Holzkästen in verschiedenen Formen. Es war in dem schwachen Licht schwer zu erkennen, aber ich glaubte, Zeichnungen von Tieren auszumachen, wie in der Hütte.
    Es gab nur wenige Türen im Haus – zwischen dem Wohnzimmer und der Küche war nichts –, was wahrscheinlich bedeutete, dass nur die Schlafzimmer und Badezimmer privat waren. Sam brauchte sich wahrscheinlich niemals Sorgen um Fremde zu machen, die durch sein Haus liefen.
    Es war dunkler geworden. Ich war eingeschlafen und mit einer schwereren Decke bis ans Kinn zugedeckt worden.
    Sam saß nicht mehr an seinem Klavier. Die Stille musste mich geweckt haben. Wasser gurgelte durch Rohre und verebbte. Neue Stille, tiefer als Schneestille. In dem schummrigen Wohnzimmer lauschte ich auf Sams Schritte, Knarren an der Decke, aber entweder war dieses Haus viel stabiler als das Purpurrosenhaus – was sehr wahrscheinlich war –, oder er bewegte sich oben nicht. Vielleicht hatte er beschlossen, ein Bad zu nehmen, so wie ich.
    Ich blinzelte die Vorstellungen von ihm in der Badewanne weg, von seinen langen, ausgestreckten Gliedern, von Wasser in seinem Haar.
    Nein, nein, nein. Ich stieß mich von dem Sessel ab, und meine Muskeln protestierten. Dann schaltete ich eine Lampe am Klavier ein. Schimmerndes Licht erhellte das Elfenbein und
das Ebenholz, das dicke Papier, auf dem Musik als Punkte und Striche und andere unentzifferbare Dinge hingeschrieben war. Ich setzte mich auf die Bank, die Decke fest um die Schultern gelegt, und studierte die Seiten.
    »Kannst du es verstehen?« Anscheinend war Sam nicht glücklich, wenn er sich nicht an mich heranschleichen konnte. Wie unerfüllt seine vergangenen hundert Leben gewesen sein mussten.
    »Vielleicht.« Ich rutschte rüber, um ihm Platz zu machen, dann zeigte ich auf das erste Notenblatt. »Bis jetzt habe ich über diese Punkte hier nachgedacht.«
    Er nickte. »Das ist ein guter Anfang.«
    »Sie scheinen sich durch das Ganze hindurchzuziehen, wie die Noten in der Musik. Sie gehen auch rauf und runter wie die Musik, daher schätze ich, sie sagen dir, welche Tasten du drücken musst.«
    »Und wie lange ich sie gedrückt halten muss.« Er lachte und schüttelte den Kopf, als könne er nicht glauben, dass ich klüger war als ein Eichhörnchen, das gelernt hatte, Futter zu stehlen, ohne die Falle auszulösen. »Wenn du eine Stunde lang hier unten allein geblieben wärst, hättest du das Stück selbst gespielt.«
    Ich biss die Zähne zusammen und rutschte von der Bank. Gerade als ich gedacht hatte, wir kämen miteinander aus.
    »Was ist?« Er hatte die Frechheit, verwirrt zu klingen.
    »Du bist immer so herablassend zu mir.« Ich wandte mich von ihm ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Du sagst ständig solche Dinge und tust so, als sollte ich dein Lob zu schätzen wissen, weil du so viel besser bist als ich. Du bist schließlich nicht neu und versuchst, mit den anderen gleichzuziehen …«
    »Ana.« Seine Stimme war so leise, dass ich ihn fast nicht gehört hätte. »Das ist es nicht. Ganz und gar nicht.«

    »Was ist es dann?« Mein Kiefer schmerzte, ebenso meine Brust und mein Kopf, und ich war müde von dem langen Marsch und müde davon, mich selbst zu schützen.
    »Ich war nicht herablassend. Ich habe alles ernst gemeint, was ich gesagt habe.«
    »Du hast mich ausgelacht.«
    »Ich habe mich selbst ausgelacht, weil ich nicht begriffen habe, wie ernst es dir war, als du sagtest,

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