Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Glück ist, da du jetzt hier lebst. Freundschaft ist nicht für Menschen reserviert, die wieder und wieder wiedergeboren wurden. Selbst einer Neuseele ist Glück gestattet.«
Es gab immer noch so viele Fragen, wie zum Beispiel, warum er sich mit einer Seelenlosen abgab und warum das so wichtig für ihn war, aber ich senkte nur den Kopf. »Wenn du denkst, dass es sich lohnt, können wir es versuchen.«
Sam berührte mich an der Schulter und fuhr mit der Hand zum Ellbogen hinunter. »Lass uns ins Bett gehen. Morgen haben wir viel zu tun.«
Ich schauderte bei der Erinnerung daran, wie ich erwacht war, nachdem ich beinahe ertrunken wäre, sein Körper hinter meinem, seine Hand über meinem Herzen. Das war es wahrscheinlich nicht, was er mit »ins Bett gehen« meinte. Und gute Sache das. Gute Sache.
»Spiel vorher noch einmal für mich.« Irgendetwas stimmte nicht mit mir, mit der Art, wie mein Inneres sich zusammenzog, wenn er in der Nähe war. Ich setzte mich auf der Bank neben ihm richtig hin und legte die Hand auf die Tasten. »Bitte.«
»Natürlich.« Er sortierte die Seiten auf dem kleinen Notenbrett über der Tastatur, einige waren immer noch leer. »Aber pass auf. Du wirst Musik lernen. Ich hoffe, du bist damit einverstanden.«
Es war wahrscheinlich das Licht oder Erschöpfung, aber obwohl seine Stimme so gleichmäßig klang wie immer, wirkte er auf mich aus dem Augenwinkel nervös. Meine Erwiderung erstarb, ehe sie meine Lippen verließ. »Bitte«, wiederholte ich, und bevor er das Gesicht abwenden konnte, sah ich seine Erleichterung.
Als die Musik einsetzte, versuchte ich, die Klänge den Punkten und Strichen auf dem Papier zuzuordnen, aber es ging zu schnell, um Schritt zu halten. Während er spielte, sagte er: »Zweite Seite.« Und nach einer Weile: »Dritte Seite.« Einen Moment lang entsprach die Musik dem, was ich sah, bevor die Punkte wieder nur Punkte waren.
Die Musik überwältigte mich, drang wie Wasser in meine Haut ein. Ich hatte keine Worte für die Schnörkel und Striche auf den Seiten oder für die Art, wie seine Finger sich über die Tasten spannten und mein Herz rasen ließen. Wenn ich für den Rest meines Lebens nur ein Geräusch hören konnte, dann wollte ich dieses.
Als die Musik verebbte, ließ er die Hände auf den Tasten ruhen.
»Du hast es verändert. Es ist nicht mehr so wie vorher.« Ich bemerkte seine hochgezogene Augenbraue und rang um die richtigen Worte. Ich brauchte tatsächlich Unterricht, wenn ich auch nur halbwegs so klingen wollte, als hätte ich Ahnung. Oder als könnte ich zumindest beschreiben, was er mit der Musik gemacht hatte. »Es ist sanfter. Nicht so wütend am Schluss.«
»Ist das in Ordnung?«
Ich legte meine Hand auf seine.
KAPITEL 10
Leidenschaft
Sam brachte mich wieder nach oben, als die Müdigkeit mich zu übermannen drohte.
Die Außenwand verursachte mir Unbehagen, daher zog er das Bett durch den Raum, bis es in der Ecke zweier Innenwände stand. Erfolglos versuchte Sam, den Staub auf dem Boden zu verbergen, wo das Bett gestanden hatte.
»Ich möchte, dass du als Erstes über Musik lernst zu hören. Du musst alles hören.« Er setzte sich auf einen Stuhl am Schreibtisch, während ich mich auf die Ecke meines Bettes hockte. »Was jetzt kommt, habe ich in jedem Leben neu getan, um es wieder zu lernen. Schließ die Augen und hör auf alle Geräusche gleichzeitig, vor allem auf die, die kaum wahrzunehmen sind.«
Als ob ich das vor seinen Augen tun würde. Ich nickte nur.
»Du kannst die Meerschweinchen und Hühner hören, die Geräusche, die sie machen. Du kannst den Wind in den Bäumen hören und alles im Haus. Achte auf alle Geräusche gleichzeitig und auf jedes einzeln.«
»Das klingt nach einer Menge Arbeit.«
Er lächelte. »Das ist es auch. Aber ein gutes Ohr zu haben ist wichtig für die Musik, und man lernt es am einfachsten, solange man jung ist.« Er kam durch den Raum zu mir. »Ich fand es immer schön, dass in jedem Leben alles ein bisschen anders ist. Rauer oder tiefer, wärmer oder freundlicher. Manche
Körper hatten mehr Mühe, es zu lernen. Andere hatten ein besseres Gehör.«
Ich hoffte, dass ich das erleben würde.
»Einmal konnte ich gar nichts hören.«
Aber das wollte ich nicht. Ich fragte beinahe, wie er damit klargekommen war – ein Leben ohne Musik –, doch er gähnte und erinnerte mich daran, dass er wahrscheinlich ebenfalls müde war. Ich schlüpfte unter die Decken.
»Gute Nacht«, murmelte er, als mir die
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