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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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die Bissspuren gesehen«, flüstere ich.
    »Aber vielleicht war das etwas ganz anderes«, entgegnet sie. »Ein Kratzer. Er kann nicht angesteckt sein. Das ist unmöglich!« Sie bemerkt jetzt, dass man zu uns hinübersieht, und senkt die Stimme. »Du musst ihn finden. Irgendetwas stimmt nicht. Du musst losziehen und ihn finden.«
    Schockiert weiche ich zurück. »Willst du, dass ich wieder dahin zurückgehe?«, frage ich mit großen Augen.
    Sie nickt, ihr Mund ein schmaler weißer Strich in ihrem Gesicht.
    Bei dem Gedanken, wieder zur Barriere zu gehen, wieder darüberzuklettern bleibt mir das Herz vor Entsetzen stehen. »Aber das kann ich nicht«, sage ich. »Nicht, nachdem …« Ich breche ab. »Was könnte ich denn noch für ihn tun, wenn ich ihn finde?«
    »Du könntest dich vergewissern, dass es ihm gut geht«, zischt Cira. »Du kannst bei ihm sein und ihm helfen, wenn er verletzt ist. Du kannst …«
    Ich schüttele den Kopf, meine Hände zittern, als Blane ihr das Wort abschneidet, indem sie durch die Gitterstäbe greift und mein Handgelenk packt.
    »Was?«, faucht Blane. »Du kletterst über den Zaun, um dich zu amüsieren, aber für einen Freund willst du das nicht tun?« Die hinter ihr murmeln zustimmend. »Nutzlos!« Sie fuchtelt drohend mit der Hand vor meinem Gesicht herum. »Wir hätten von dir erzählen sollen, als wir die Gelegenheit dazu hatten.« Sie macht eine Pause, hebt eine Augenbraue, verzieht gehässig die Mundwinkel. »Das könnten wir ja immer noch.«
    Ich schaue Cira an und sehe das Zögern in ihrem Gesicht. Sie scheint Blane zu glauben. Mir wird schlecht. Das kann doch nicht meine einzige Option sein. Ich greife nach ihren Händen. »Das kann ich nicht tun, Cira«, flüstere ich. »Das geht nicht.« Sogar für meine eigenen Ohren ist die Verzweiflung deutlich zu hören. Meine Stimme ist schrill, überschlägt sich.
    Wieder spüre ich diese erdrückende Panik und weiß nicht, was ich tun soll. Ich kann kaum atmen. Farbige Punkte explodieren vor meinen Augen.
    Blane greift durchs Gitter und packt mich erneut am Handgelenk, ihre Nägel bohren sich in mein Fleisch, als sie Cira aus meinem Griff befreit. Ihr Haar wirkt wie ein Heiligenschein.
    »Du suchst ihren Bruder«, presst sie zwischen den Zähnen heraus. »Du suchst Catcher, sonst bist du nutzlos da draußen, und es gibt keinen Grund, warum du nicht hier bei uns anderen sein solltest.«
    Ich stelle mir vor, wie sie meiner Mutter erzählen, dass ich auf der anderen Seite der Barriere gewesen bin – und dem Vorsitzenden. Wegen der Lüge und weil ich alle um mich herum in Gefahr gebracht habe, würde mich eine schlimmere Bestrafung erwarten, als nur für ein paar Jahre zu den Rekrutern geschickt zu werden.
    Meine Mutter würde erfahren, dass ich gelogen habe. Sie würde mir nie wieder vertrauen. Ich schließe die Augen, will mir die Auswirkungen und Enttäuschungen nicht ausmalen. Mir wird klar, dass ich keine Wahl habe. Entweder finde ich Catcher, oder sie zeigen mich an.
    »Ich gehe ihn suchen«, flüstere ich, beschämt, dass man mir erst so drohen muss, damit ich aktiv werde.
    Ciras Schultern entspannen sich etwas, und Blane lässt mein Handgelenk los. »Ich kann dir nur raten, ihn zu finden«, knurrt sie.
    Ich warte darauf, dass Cira mich verteidigt. Dass sie lächelt, zumindest ein kleines bisschen. Dass es wieder so wird wie früher, obwohl es wohl nie wieder so werden kann. Aber stattdessen ziehen die anderen im Käfig sie von mir weg und hätscheln sie wie eine der ihren. Mich lassen sie allein dastehen, außen vor. Ich werfe einen Blick zum anderen Käfig hinüber, zu den zum Tode Verurteilten. Über Nacht hat sich alles verändert, hat sich alles zu komplizierten Mustern verschlungen, die ich nicht entwirren kann.
    Ich will noch etwas sagen, aber Blane dreht Cira von mir weg. Einen Moment lang stehe ich da und wünschte, es könnte alles wieder so sein wie früher. Doch das ist nicht möglich. Vielleicht nie wieder. Mit schweren Schritten steige ich vom Podium, gehe an den Nachzüglern auf dem Platz vorbei und wandere durch die engen Straßen, bis ich die weite, leere Pufferzone zwischen der Stadt und der Barriere erreiche.
    Ich starre die Wand an, das dunkle Holz, das über den Milizen aufragt, deren Patrouillen dreifach verstärkt wurden. Letzte Nacht hatte ich mir geschworen, nie wieder das Schicksal herauszufordern und sicher in den Grenzen von Vista zu bleiben. Und doch bin ich hier und versuche erneut, einen Weg nach

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