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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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würde auch nichts ändern. In der Vergangenheit hat der Vorsitzende nie Gnade walten lassen, nicht mal bei geringeren Verstößen als diesem. Er nutzt jede Gelegenheit, um ein Exempel zu statuieren, um dem Protektorat zu beweisen, dass er ein schonungsloser Anführer sein kann, der eine Beförderung verdient hat.
    »Wir haben unsere Entscheidung getroffen.« Wieder macht er eine Pause.
    Mein Blick huscht zwischen den Käfigen hin und her – zu den drei Infizierten, die ihre Arme umeinander geschlungen haben. Ihre Knöchel sind weiß. Und zu denen unter Quarantäne, die trotzig dastehen, obwohl ihre Angst offensichtlich ist.
    »Die Infizierten werden von der Miliz hinter die Barriere gebracht. Wir können nichts mehr für sie tun. Man wird ihnen ihre ewige Ruhe geben.«
    Eine Frau heult auf und versucht durch die Menge zu rennen, aber die Leute halten sie zurück. Ich erkenne sie. Sie ist die Mutter des angesteckten Jungen. Ihre Schreie werden leiser, als die Nachbarn sie wegziehen. Wenigstens hat sie Gelegenheit Abschied zu nehmen, denke ich, und wünsche mir, ich wäre nicht so schnell von Catcher weggelaufen. Bevor ihr Sohn stirbt, kann er sich wenigstens noch einmal daran erinnern, wie es ist, lebendig zu sein.
    Wenigstens wird er nicht zum Mudo.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche die Fassung zu bewahren. Alles ist so kalt. Sogar die Sonne brennt wie Eis. Ich schließe die Augen und frage mich, warum Cira nicht mit mir weggelaufen ist, welche Strafe sie bekommen wird und ich vielleicht nicht.
    Der Vorsitzende reibt sich die Augen, und für einen Augenblick fühle ich Erleichterung – er wird nachsichtig sein, denke ich, vielleicht war diese Entscheidung zu schwer für ihn, und er und der Rat zeigen jetzt Mitgefühl.
    Aber dann wird seine Stimme hart. »Die anderen«, sagt er und zeigt auf Cira und den Rest der Gruppe im Käfig. »Sie werden zu den Rekrutern geschickt, bei denen sie zwei Jahre dienen werden. Allerdings werden sie nicht die Privilegien einfordern dürfen, die dieser Dienst mit sich bringt. Sie werden weder das volle Bürgerrecht erhalten, noch werden sie eine der Geschützten Zonen betreten dürfen, die Dunkle Stadt eingeschlossen. Nach ihrem Dienst nicht und überhaupt niemals.«

6
    U m mich herum explodiert die Menge, ich jedoch bin sprachlos. Ich stehe einfach nur da, unter Schock. Meine Beine zittern, meine Muskeln verweigern mir den Dienst, ich sacke gegen eine ältere Frau. Sie schiebt mir fürsorglich den Arm unter den Ellenbogen.
    »Du armes Ding«, sagt sie. »Sind das Freunde von dir?«
    Ich nicke. Jeder Ort und jede Stadt unter der Kontrolle des Protektorats hat ihren Anteil von Gütern und Dienstleistungen, junge Männer und Frauen eingeschlossen, an die Rekruter abzuführen, die Armee des Protektorats. Im Gegenzug dürfen wir Bewohner ihren Schutz und die Vorteile einer vereinten Konföderation genießen, und uns wird gestattet, mit anderen Mitgliedern der Konföderation Handel zu treiben. In Vista hat man nie jemand zwingen müssen, den Rekrutern zu dienen.
    Es hat immer Freiwillige gegeben, die bereit waren, ihr Leben für die versprochene Belohnung zu riskieren: dem garantierten Zugang zu den Geschützten Zonen und vollen Bürgerrechten. Die exorbitanten Abgaben für das Leben in der Dunklen Stadt kann zwar jeder zahlen, der über einzigartige Fertigkeiten verfügt oder genügend Güter zum Handeln hat, doch wird nur denen ein Platz dort garantiert, die den Rekrutern dienen. Und wenn man sich im Dienst hervorgetan hat, muss man nie mehr Abgaben zahlen.
    Nur die dort auf dem Podium sind davon ausgenommen. Nicht mal nach zwei Jahren bei den Rekrutern wird ihnen das gewährt sein.
    Die Härte der Strafe verblüfft mich. Zwei Jahre zum Dienst gezwungen werden, ohne Belohnung.
    »Wie klug von dir, dass du nicht mitgemacht hast bei dieser schlimmen Sache«, sagt die Frau neben mir und klopft mir auf den Rücken.
    Aber ich war dabei, will ich ihr antworten. Ich sollte da oben bei meiner besten Freundin sein, sollte mich nicht verstecken. Ich hätte nicht weglaufen sollen, aber ich weiß nicht, wie ich das ändern kann.
    Und selbst wenn ich es könnte, habe ich weder die Kraft noch die Worte, vorzutreten und mich zu stellen. Der Vorsitzende redet weiter, doch ich kann nicht verstehen, was er sagt. Ich stehe nur da und starre die Käfige an – und Cira. Sie und die anderen scheinen genauso unter Schock zu stehen wie ich. Wie der Vorsitzende die öffentliche Verkündung

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