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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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ganzen Weg hinter mir habe, nach allem, was ich riskiert habe, fürchte ich mich schrecklich davor, die Tür zu öffnen. Wenn er nun gestorben und wiedergekehrt ist und ich ihn töten muss? Was dann? Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Was, wenn ich genauso versage wie bei Mellie? Wie am Strand?
    Ich drücke mein Ohr an die Tür, im Flur riecht es moderig, kein Luftzug rührt sich. Der Schweiß rinnt mir den Rücken hinab. Ich kann nichts hören. Nach einem zittrigen Atemzug stoße ich die Tür auf.

21
    S chockstarr stehe ich in der Tür, lasse vor Verzweiflung mein blutiges Messer fallen – der Raum ist leer. Kurz überlege ich, ob ich möglicherweise am falschen Ort bin. Vor lauter Angst und Schrecken bin ich vielleicht ins falsche Gebäude gelaufen, habe mich in den Ruinen verirrt, wie vorher schon. Doch ein Hauch von ihm liegt noch in der Luft, ich kann Catchers Gegenwart noch immer wahrnehmen. Der Staub auf dem Fensterbrett hat sich in alle Richtungen verteilt, wo er, die Hände an Rahmen gedrückt, gestanden und zum Leuchtturm und zur Stadt hinübergeschaut hat.
    Er ist weg. Der Raum ist still. Ich breche auf dem Fußboden zusammen. Das ist zu viel für mich.
    Er wäre nicht weggegangen. Er wäre nirgendwo hingegangen, er wusste, ich würde zurückkommen. Das heißt, Elias muss hier gewesen sein. Ich kneife die Augen zu. Ich will mir Catcher nicht als einen von den Souler-Mudo vorstellen, ich will nicht an sein zerfleischtes Gesicht denken, an das bettelnde Stöhnen, und daran, dass er an einer Leine herumgezerrt werden könnte.
    Dass Elias ihm so etwas angetan haben könnte, will ich nicht denken. Ich hatte gehofft, Elias wäre irgendwie anders.
    Ich lasse den Kopf nach hinten fallen, schlage ihn gegen die Wand, um das Bild von Catcher als Mudo zu vertreiben. Doch es funktioniert nicht. Ich habe ihn im Stich gelassen. Genauso wie Cira, ohne die ich weggelaufen bin, und meine Mutter, die ich allein in den Wald habe gehen lassen – und alle anderen.
    Ich muss ihn finden. Ich habe ihm versprochen, ihn nicht Mudo werden zu lassen. Jedenfalls das muss ich fertigbringen.
    Ich stehe auf, stolpere zurück in den dunklen Flur, die Treppe hinunter und in die glühende Mittagshitze. Dann verfolge ich mit schleppenden Schritten im Schein der sengenden Sonne meinen Weg zurück durch die Straßen bis dorthin, wo ich die Soulers zuletzt gesehen habe.
    Die Hitze wabert über der Betonpiste und streift meine Beine. Ich nähere mich den drei Bögen des Amphitheaters. Wie zuvor drücke ich mich in den Schatten eines Bogens und krieche auf allen vieren voran. Meine Handknöchel schrammen über den Boden, ich halte das Messer fest umklammert. Das Stöhnen höre ich bereits, bevor ich irgendetwas sehen kann. Die restlichen Souler-Mudo, die, die zurückgelassen wurden, als die Soulers nach Vista gingen, sind alle in einem Rudel auf der Bühne im Schatten der großen Kuppel angekettet.
    Mit angehaltenem Atem lasse ich den Blick über ihre eingefallenen Gesichter schweifen. Aus dieser Entfernung ist es schwierig, Einzelheiten zu erkennen, ihr Erscheinungsbild verschwimmt. Mein Körper kribbelt vor Hoffnung, dass Catcher nicht dabei ist, dass ich mich in Elias getäuscht habe.
    Aber dann blitzt sein Schopf auf, sein weiß-blondes Haar glänzt in den Schatten. Ich erkenne die vertrauten Züge, die Konturen seiner Schulter.
    Catcher schlurft durch die Herde der Mudo, bleibt mit leicht geöffneten Lippen zwischen ihnen stehen, als würde er stöhnen. Ich presse mir die Hand auf den Mund, beiße hinein, unterdrücke einen Schrei. Bis jetzt war mir nicht klar, was es bedeuten würde, ihn so zu sehen. Der Schmerz und das Grauen sind unerträglich. Ich bohre mir die Fäuste in die Augen, weil ich das Bild von Catcher als Mudo herauskratzen will.
    Meine Hände fangen unkontrolliert an zu zittern. Ich will nicht auf meine Finger und auf das Blut schauen, das in den Hautfalten getrocknet ist. Es ist nicht mein Blut, sondern das eines anderen. Die enorme Tragweite der Ereignisse der letzten paar Tage trifft mich mit Wucht – die Wände lösen sich auf, durch die ich eins vom anderen getrennt habe. Ich werfe das Messer beiseite, scharlachrot verschmiert noch immer die Klinge.
    Ich habe gerade jemanden erstochen, und sein Blut klebt auf meiner Haut und meiner Kleidung. Ich wische mir die Hände am Boden ab, bis sie brennen, aber sie sind immer noch blutrot gefärbt. Catcher ist weg. Hat sich gewandelt. Ist Mudo. Und ich habe mich nicht von ihm

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