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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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Gabrielle.« Ihre Stimme ist sanft, so als könne sie meinen Kummer spüren. Sie gibt der kleinen Figur einen Schubs, bringt sie zum Schwingen. »Du hast immer in dir selbst geruht. Und ich …« Sie lächelt schwach, ihre Augen jedoch nicht. »Ich bin nur so gut wie die, die um mich herum sind.«
    Ich versuche das zu verstehen, es gelingt mir aber nicht. »Cira …«, will ich protestieren. Aber sie zieht mich durch die Gitterstäbe an sich, und ich denke an all die Dinge, die wir in unserem Leben miteinander geteilt haben. Nie hätte ich gedacht, dass ich irgendetwas ohne sie durchstehen müsste, nie hätte ich gedacht, dass wir getrennt werden könnten.
    Während ich sie halte, wird mir wieder einmal klar, wie sehr ich sie vermissen werde – und wie viel Kraft sie mir gegeben hat. Ich habe schreckliche Angst, dass ich es nicht schaffen werde, diese Kraft allein zu finden.
    Der Milizionär verkündet, dass wir jetzt gehen müssen. Auf dem Weg hinaus werfe ich einen Blick über die Schulter. Da steht meine beste Freundin mit den anderen, bereit, sich vom Fluss davontragen zu lassen.
    An der Zeremonie, mit der die Rekruter vom Rat geehrt werden, nehme ich nicht teil. Ich habe zu viel im Kopf, um die Vorstellung über mich ergehen zu lassen und so zu tun, als würde ich sie respektieren. Deshalb schleiche ich mich am Rand der jubelnden Menge entlang, während die Rekruter auf dem Platz in der Stadtmitte aufmarschieren. Ihre schwarzen Uniformen schimmern im Licht, ihre Augen sind von Hüten verdeckt, die sie zum Schutz gegen die Sonne tief ins Gesicht gezogen haben.
    Nach dieser Machtdemonstration verlassen die Milizionäre ihre Posten an der Barriere, um sich den Festlichkeiten anzuschließen, nur ein paar bleiben zurück und bewachen das Tor. Dies ist meine Chance, zu Catcher zu gelangen.
    Ich versuche mich zu beruhigen. Ich kann es schaffen, schärfe ich mir ein, ich kann noch dieses letzte Mal über die Barriere und durch die Ruinen zu Catcher gelangen. Nur um von ihm Abschied zu nehmen. Nur um sicher zu sein, dass die Sache zu Ende gebracht wird, falls er sich gewandelt hat, damit er nicht als Monster weiterexistieren muss.
    Auf dem Weg durch die leeren Straßen hallt das Echo meiner Schritte von den Mauern wider. Mein Blut scheint in den Adern zu gefrieren. Die Barriere führt an einer Stelle in einem Bogen von der Stadt weg, die ausgenommen ist von der konstanten Präsenz der Miliz. Hier sind wir in jener Nacht vor fast einer Woche über die Barriere geklettert. Einen Augenblick lang verstecke ich mich im Schatten der Wand, dann nehme ich meinen Mut zusammen und schleiche mich um die Ecke.
    Die Sonne ist grell und heiß, das laute Summen der Zikaden bis in die Brust spürbar. Ich atme tief durch und grabe meine Finger in die Spalten zwischen den starken Holzstämmen. Mir ist völlig egal, dass es helllichter Tag ist. Mir ist egal, was passiert, wenn ich erwischt werde. Ich will nur einmal kurz spüren, wer ich sein könnte, wenn ich nicht so viel Angst hätte.
    Dabei habe ich nur einen einzigen Gedanken: Wenn ich schnell genug klettere, kann ich ihn retten. Vielleicht ist Catcher noch am Leben.
    Die Schritte höre ich gar nicht, die Atemgeräusche viel zu spät. Jemand schleudert mich mit dem Gesicht gegen die Barriere, mit solcher Kraft, dass mir die Luft wegbleibt. Meine Welt explodiert in Angst und Schrecken. Ich keuche, will mich zum Atmen zwingen, da werde ich umgedreht und mit dem Rücken an die Wand gedrückt.
    »Kaum zu glauben, dass ich dir beinahe trauen wollte«, sagt Daniel und packt mich an der Kehle. Seine Hände riechen nach Schweiß und Fäulnis. »Ich bin dir gefolgt, Gabrielle. Und ich habe mich gefragt, wann du wohl einen Fehler machst.« Er drückt sich heftig gegen mich, sein Atem schlägt mir heiß ins Gesicht. Ich winde und wehre mich, doch er hält mich nur noch fester. Splitter von der Barriere bohren sich durch mein Hemd in die Haut.
    Ich versuche verzweifelt, die aufkommende Panik zu unterdrücken.
    »Ich habe mir gleich gedacht, dass du in jener Nacht mit den anderen da draußen warst.« Er drückt fester zu, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Du und deine Freunde, ihr glaubt wohl, für euch gelten die Regeln nicht, und ihr könnt machen, was ihr wollt.«
    Ich schüttele den Kopf. Ich will ihm sagen, dass ich die Regeln immer befolgt habe, aber er lässt mich nicht zu Wort kommen.
    Sein Körper zerquetscht mich fast, so fest presst er mich an die Wand. »Ich habe dich

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