Das Meer Der Tausend Seelen
Cira …«
Ich lehne meine Stirn an seine Schulter, damit er mein Gesicht nicht sieht. Die Luft in meinem Hals droht mich zu ersticken, aber ob es Schluchzen oder hysterisches Gelächter ist, weiß ich nicht. Unsere Lage ist wirklich erdrückend. Er glaubt noch immer, dass alles wieder so werden kann, wie es einmal war, und dass abgesehen von seiner Ansteckung in der letzten Woche nichts weiter vorgefallen ist.
Aber jetzt habe ich jemanden umgebracht. Selbst wenn ich es wollte, könnte ich nie wieder zurück nach Vista. Die Miliz wird herausfinden, dass ich es gewesen bin. Sie werden mich hinrichten, weil ich einen der ihren getötet habe.
Für mich ist es unmöglich, wieder nach Hause zu gehen.
Unfassbar, wie plötzlich alles außer Kontrolle geraten ist. Mein innigster Wunsch – dass Catcher okay sein möge – hat sich erfüllt, aber alles andere ist dabei auf der Strecke geblieben. Wenn ich es nur gewusst hätte. Wenn ich mir nur hätte erträumen können, dass so etwas überhaupt möglich ist.
»Warum hat man uns nie etwas von Immunität erzählt?«, frage ich anklagend. Es ist nicht fair, nichts von alldem ist fair. Ich bin verwirrt, versuche mir zu überlegen, wie ich doch wieder zurück in mein altes Leben könnte, aber am Ende bleibt nur die Konfrontation mit der Realität, mit Daniels Tod und Ciras Bestrafung.
»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagt Catcher, der meine Hand nimmt. »Mir geht es gut, nur das ist wichtig. Ich kann gar nicht erwarten, es Cira zu sagen.«
Da schüttele ich bereits den Kopf und weiche zurück. »Das kannst du nicht«, sage ich. Er kommt näher, aber ich halte die Hände hoch und winke ab. »Wir können nicht zurück.« Ich ersticke fast an den Worten.
Elias legt schweigend und mit unergründlicher Miene den Kopf schräg und beobachtet mich.
»Wir finden einen Weg, das wird schon«, sagt Catcher. Doch ich schüttele den Kopf.
»Das wird nicht funktionieren«, erkläre ich ihm. Ich ringe die Hände, fahre mit dem Daumen über die Schnittverletzung auf meiner Hand und spüre, wie der Schmerz den Arm hinauf ausstrahlt und mich am Boden festhält. »Das mit Cira war gelogen«, flüstere ich.
Ich schaue in die auf dem Beton flimmernde Hitze, auf die Wolken, die sich über uns am Himmel auftürmen, überallhin, nur nicht zu Catcher. »Die Miliz ist uns in jener Nacht gefolgt. Ich bin davongekommen, die anderen nicht. Der Rat hat beschlossen, sie alle zu den Rekrutern zu schicken.« Meine Stimme ist leblos, als ich den Satz beende, ich habe Angst vor seiner Reaktion.
Catchers Kopf fällt nach hinten, seine Kiefermuskeln zucken. »Das hast du mir nicht erzählt.« Seine Stimme ist ruhig. »Als ich mich nach ihr erkundigt habe, hast du gesagt, sie sei okay.«
»Ich weiß«, erwidere ich beinahe tonlos. Wie sehr sich wieder alles unter mir verschoben und verändert hat, ist überwältigend. »Es tut mir leid«, füge ich überflüssigerweise hinzu.
Er wendet sich von mir ab, fasst sich ins Haar und zerrt daran. »Wo ist sie jetzt?«, fragt er. Seine Frustration und seine Wut treffen mich hart, und mein Glück darüber, dass er noch lebt, bekommt Risse.
»Sie werden im Rathaus festgehalten.« Ich schlucke. Ich will es ihm erklären. Ich dachte doch, er würde sterben, ich wollte seinen Schmerz nicht noch größer machen. Aber ich sage nichts. »Die Rekruter sind heute eingetroffen. Sie hatten gerade mit dem Gelöbnis angefangen, als ich hierherkam.«
Er schlägt mit der Faust gegen den Steinbogen, und ich zucke zusammen bei dem plötzlichen Gewaltausbruch. Ich will zu ihm gehen, ihm den Schmerz und die Wut nehmen. Aber ich tue es nicht. Ich fürchte, dass er mich wegstoßen wird.
Er legt beide Hände auf die Mauer und atmet tief durch.
Ich sehe zu Elias. Es ist mir peinlich, dass er das hier beobachtet, dass er erfährt, was ich getan habe.
»Wir müssen Cira holen.« Catchers Stimme klingt gepresst. Er dreht sich zu uns um. »Die dürfen sie nicht mitnehmen. Ich habe ihr gesagt, ich würde sie beschützen, und das werde ich auch tun.«
»Wie?«, frage ich. »Sie werden sie nicht freigeben.«
Er schaut mich an, und sein Blick ist kalt und hart. »Ist mir egal«, sagt er. »Ich finde einen Weg.« Er geht ins Amphitheater, zur Bühne am Fuß der Arena, und ich folge ihm.
»Warte, Catcher!«, rufe ich. Ohne sich auch nur umzudrehen, hebt er eine Hand hoch und winkt ab. Mit Elias hinter mir stehe ich da und sehe ihn davongehen. Ich habe Angst, Elias ins Gesicht zu sehen, es
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