Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
Ich werde es nie missbrauchen, das schwöre ich. Ich werde dich beschützen und bis zum letzten Atemzug für dich kämpfen.«
    »Julian«, sagte ich grinsend, »wir haben 2008. Viel Spaß dabei.«
    »Liebling, ich bin gerade mitten in einer Rede und würde mich freuen, wenn du mir mit angehaltenem Atem zuhörst.«
    Ich schlang die Arme um seine Taille. »Entschuldige. Bitte sprich weiter. Ich liebe deine Reden. Ich fühle mich dann wie in einem Roman von Trollope.«
    Seine Daumen strichen über meine Wangenknochen. »Frechdachs. Du verspottest mich, und dennoch ist es mein bitterer Ernst. Ich bin nun mal hoffnungslos altmodisch.«
    »Ich weiß, dass du es ernst meinst.«
    Sein Gesicht näherte sich meinem, so dass sich unsere Stirnen fast berührten, und seine Stimme senkte sich zu einem eindringlichen Flüstern. »Ich bin bereits dein Ehemann, wusstest du das nicht?«
    »Wenn du dich dann besser fühlst, während du jede Nacht über mich herfällst …«
    »Ja«, erwiderte er mit Nachdruck. Und dann waren da keine zusammenhängenden Worte mehr, nur noch seine Lippen, seine Hände und sein golden schimmernder Körper, über mich gebeugt im Kerzenlicht. Vereinigung, Ekstase und danach, eng ineinander verschlungen, ein zufriedener, tiefer Schlaf.

    Als ich am Morgen aufwachte, war Julian schon nach Manhattan gefahren, doch auf dem Nachttisch neben mir stand eine große, mit Seide gefütterte Schatulle. Darin befand sich ein wahrer Schatz an in allen Farben schillernden Schmuckstücken: Diamantketten, Armbänder, Ohrringe und Ringe. Dabei lag eine Nachricht, in eleganten schwarzen Buchstaben auf eine beige Karte geschrieben: »Sei nachsichtig mit mir.«
    Amiens
    Der Traum stieg völlig unvermittelt aus einem tiefen samtenen Schlaf auf. Es war derselbe wie immer, nur dass er diesmal noch lebensechter war und mich mit einer namenlosen Panik erfüllte. Es war, als wäre der Tag des Weltuntergangs, des Armageddon, angebrochen. Der Mann konnte mich weder hören noch verstehen und lächelte mich verwirrt an, während ich immer lauter und drängender auf ihn einredete. Langsam und weiterhin lächelnd wich er in eine Dunkelheit zurück, die so schwarz war, dass sie ihn zu verschlingen drohte. »Bleib stehen!«, rief ich. »Halt! Komm zurück! Lass mich nicht allein!«
    Jemand tätschelte meine Hand und sprach meinen Namen aus.
    »Komm zurück! Lass mich nicht allein!«, schrie ich.
    »Kate! Kate!« Die Stimme drang mir direkt ins Ohr. Julians Stimme.
    Als ich hochfuhr, prallte ich mit der Nase gegen etwas Hartes. »Julian!«, sagte ich und warf mich ihm an die Brust. »Du bist wieder da!«
    Aber etwas stimmte nicht. Ich spürte kratzigen Wollstoff. Die Arme umfassten mich steif und förmlich. Ein starrer Lederriemen drückte sich an meine Wange.
    »Kate«, wiederholte er leise und verlegen. »Ist alles in Ordnung?«
    O nein. Nicht Julian. Julian und doch nicht Julian. Mein Julian. Peinlich berührt wich ich zurück. In meinem Herzen ging schlagartig das Licht aus.
    »Oh, es tut mir so leid … ich … ein Alptraum. Entschuldige. Wie spät ist es?«
    »Sieben Uhr morgens.«
    »Oh. Es tut mir so leid. Jetzt habe ich dich geweckt.«
    »Nein«, erwiderte er, »ich war schon wach. Ich habe heute sehr früh eine Besprechung. Als ich an deinem Zimmer vorbeikam, habe ich gehört …« Er räusperte sich und legte einen kleinen Gegenstand auf den Nachttisch. »Dein Schlüssel. Ich musste letzte Nacht von außen abschließen, und dann hat er nicht unter der Tür durchgepasst.«
    »Oh. Offenbar bin ich eingeschlafen.«
    Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Meine Schuld, weil ich dich so lange wach gehalten habe.« Eine klassische britische Untertreibung. Wir hatten bis zwei Uhr morgens geredet, über die Zukunft, Politik, den Krieg, Literatur, Mao, Opern und die Anschläge vom 11. September. Anscheinend war ich irgendwann eingenickt, denn das Letzte, woran ich mich noch erinnerte, war, dass jemand mich ins Bett gebracht und mir womöglich sogar einen Kuss auf die Stirn gehaucht hatte. Ich warf einen Blick auf den Schlüssel auf dem Nachttisch. Daneben lagen, ordentlich aufgereiht, meine Haarnadeln.
    »Das mag ich an euch altmodischen Männern«, sagte ich, während ich mein zerzaustes Haar zusammenfasste. »Vollendete Gentlemen.«
    »Abgesehen von der Tatsache, dass ich dir offenbar zu einem Alptraum verholfen habe.« Seine Uniform war zwar nach endlosen in schlammigen Schützengräben verbrachten Winterstunden schäbig, aber

Weitere Kostenlose Bücher