Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
sauber und makellos gepflegt. An den Anblick von Captain Ashford als Soldat und Schützengrabenbewohner hatte ich mich noch nicht gewöhnt. »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte er sich besorgt.
    »O ja.« Seit er auf Abstand gegangen war, schien es im Raum kälter geworden zu sein. Ich zog mir die Wolldecke über die Schultern. »Ich friere nur ein wenig.«
    Er wies mit dem Kopf auf den kleinen Kamin. »Dein Feuer ist ausgegangen. Natürlich wieder mal kein Holz zum Anschüren, verdammt. Ich schicke das Dienstmädchen nach oben, wenn ich gehe.«
    »Danke. Ich … tja, Feuermachen ist nicht gerade meine Stärke.«
    »Vermutlich brauchst du das auch nicht zu können. Wie ich annehme, hat jedes Haus Zentralheizung.«
    »So ungefähr. Wie … lange dauern denn deine Besprechungen?«, fragte ich schüchtern.
    »Den ganzen Tag, fürchte ich«, antwortete er.
    Als ich, die Decke um die Schultern, vom Bett aufstand, drehte er sich verlegen zum Kamin um. »Und dann?«, hakte ich nach, während ich den Lichtschalter betätigte. Die Lampe flackerte unentschlossen, verlosch aber nicht.
    »Dann dachte ich … vielleicht … falls es dir passt …«
    »Passt?«
    Er drehte sich um, und ich sah im Schein der Lampe, dass er errötete. »Vielleicht könnte ich dich wiedersehen.«
    »Julian«, flüsterte ich, »das fände ich sehr schön.«
    »Ich möchte noch so viel von dir wissen«, fuhr er rasch fort.
    Ich berührte seine Hand. »Und ich erzähle es dir gern.«
    »Es war wirklich nett, dass du letzte Nacht so lange mit mir aufgeblieben bist …«
    »Aber ich habe dich nicht überzeugen können, oder?«
    »Natürlich nicht.« Er lächelte. »Allerdings hatte ich eine Idee, nachdem ich ging. Granaten sind nämlich Glückssache, und ob sie treffen, hat viel mit dem richtigen Zeitpunkt zu tun. Ich werde den Aufbruch zur Patrouille einfach auf Viertel nach zwei verschieben. Damit müsste ich dem Schicksal ein Schnippchen schlagen.«
    »Aber dann passiert womöglich etwas anderes«, wandte ich ein.
    »Das kann jederzeit geschehen.« Seine Hand legte sich zögernd um meine.
    »Wie hältst du das aus?«
    »Nun, man denkt nicht mehr dauernd an die eigene Sicherheit.«
    »Doch was ist mit den anderen, Julian, den Menschen, denen du etwas bedeutest?« Als ich seine Finger drückte, krümmten sie sich, um die Geste zu erwidern. »Bitte geh nicht. Ich weiß, dass du das nicht gern hörst, weil du dich nicht vor deinen Pflichten drücken willst. Ich habe dafür volles Verständnis. Aber ich bin machtlos dagegen. Ich muss es versuchen und kann nicht einfach hoffen, dass eine zeitliche Verschiebung dich vor Schaden bewahren wird. Ich darf nicht das geringste Risiko eingehen. Es ist zu wichtig.«
    »Warum liegt dir so viel daran?«
    Ich berührte mit der Fingerspitze seinen Mundwinkel. »Wer kann dich ansehen und dich kennen, Julian, und die Antwort auf diese Frage nicht wissen?«
    Seine Lippen öffneten sich leicht, und sein Atem streifte meine Haut. Er schloss die Finger fester um meine, und ich spürte, wie er die andere Hand ein Stück hob und dann wieder sinken ließ.
    »Du verpasst deine Besprechung«, sagte ich. »Aber komm zu mir, wenn du zurück bist. Ich habe für dich noch einen Pfeil im Köcher.«
    Er küsste meine Hand. »Ich bin dir auf Gedeih und Verderb ausgeliefert«, erwiderte er, setzte die Mütze auf und ging hinaus.

18
    V errate mir eines«, begann ich eines Nachmittags Ende August. Wir lagen eng umschlungen und friedlich draußen im Gras und lauschten dem Zirpen der Zikaden, das die schwüle Sommerluft erfüllte.
    »Hm«, brummte er und spielte zärtlich mit einer meiner Haarlocken. »Worum geht es?«
    »Weshalb wache ich morgens immer allein auf?«
    Sein Zögern war so kurz, dass ich es mir vielleicht nur einbildete. »Weil du faules Geschöpf gerne ausschläfst, während ich für meinen Lebensunterhalt arbeiten muss.«
    »Nun«, sagte ich leise und nahm seine Hand, »das war eine schwache Antwort. Etwas genauer, Ashford.«
    »Ihr modernen Mädchen seid einfach zu hartnäckig. Könnt ihr einem Mann nicht ein wenig Frieden lassen?«
    »Nicht in diesem Jahrhundert.«
    Seufzend drückte er meine Hand. »Morgenappell«, sagte er schließlich.
    »Wie bei der Armee?«
    »Die meisten Offensiven, zumindest am Anfang des Kriegs«, verkündete er gleichmütig wie ein Geschichtsprofessor in einer Vorlesung, »fanden aus den unterschiedlichsten Gründen bei Morgengrauen statt. Also mussten wir an der Front jeden Morgen antreten

Weitere Kostenlose Bücher