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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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und uns auf einen möglichen feindlichen Angriff vorbereiten. Mit aufgepflanztem Bajonett und allen Schikanen. Ein ziemlich spannungsgeladener Moment, wenn du verstehst, was ich meine. Es ist eine Gewohnheit, die man nicht so leicht wieder loswird.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Es ist ein geringer Preis.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass ich jetzt hier bin. Bei dir.«
    Den Kopf in die Hand gestützt, strich ich mit dem Finger seine Wange hinunter bis zum Mundwinkel und erfreute mich am Anblick seines markanten, ebenmäßigen Gesichts und seiner Augen, die das Blau des Himmels widerspiegelten. »Du solltest dich reden hören«, erwiderte ich leise. »Du und dein Schubladendenken.«
    »Bin ich wieder auf der Couch?«
    »Dein Verstand arbeitet unermüdlich. Alles wird ordentlich in einer kleinen Schachtel verstaut. Die Kindheitsschachtel.« Ich tippte mit dem Finger an seine Schläfe. »Die Alphatier-an-der-Wall-Street-Schachtel. Die Kate-Schachtel.«
    »Das ist aber eher eine Truhe.«
    »Und die, die ich am liebsten habe«, gab ich zu, malte mit dem Finger einen Kreis auf die Stelle und drückte einen Kuss darauf. »Und natürlich die Kriegsschachtel.« Mein Finger wanderte weiter. »Lange von Druck und traumatischen Erlebnissen geprägte Monate, ordentlich weggepackt und bewacht von deiner erstaunlichen Selbstbeherrschung.«
    »Und du glaubst, dass es eines Tages hervorbrechen wird?« Er klang belustigt.
    »Ich weiß nicht«, entgegnete ich nachdenklich. »Wahrscheinlich nicht. Deine Methode, damit zurechtzukommen, scheint zu funktionieren. Du steckst deine Energien in andere Dinge. Vermutlich war Southfield für dich die Lösung. So hattest du all die Jahre etwas, in das du dich wie ein Besessener hineinknien konntest.«
    »Und jetzt habe ich dich.«
    »Heißt das, du bist besessen von mir?«
    »Offenbar bist du es nicht von mir.« Ein leicht gekränkter Unterton war zu hören.
    Ich lachte auf. »Jetzt hast du gerade wieder geschickt das Thema gewechselt.«
    »Dafür sind wir Schubladendenker berüchtigt.«
    »Ich mache mir nur Sorgen, dass ich mich geirrt haben könnte, dass es dich mehr belastet, als du zugibst, und dass du es, typisch britisch, verdrängst. Wenn du also der Kate-Schachtel gelegentlich mitteilen könntest, was die Kriegsschachtel so denkt«, ich bewegte den Finger von einer Stelle zur anderen, »oder, Gott bewahre, sogar fühlt, wäre es hilfreich.«
    »Dagegen muss ich Einspruch erheben. Die Kate-Schachtel quillt nur so über von Gefühlen. Darin bin ich doch recht gut, oder?«
    »Ja, bist du. Es ist eine sehr hübsche Schachtel, eine liebevolle und zärtliche Schachtel, und ich bin froh, darin zu wohnen.«
    »Ich habe das Beste von mir hineingelegt«, sagte er leise.
    Ich lehnte den Kopf an seine Brust. »Und das ist sehr viel. Aber die Kriegsschachtel …«
    »Du musst wahnsinnig sein, dich für den Inhalt der anderen Schachteln zu interessieren. Sie sind nicht annähernd so schön wie deine und bedeuten mir nur einen Bruchteil davon.«
    »Du sturer Mensch. Irgendwann hole ich es schon noch aus dir heraus.«
    »Das wird dir sicher gelingen.« Er hob mein Kinn an und küsste mich. »Schließlich hast du ein ganzes Leben lang Zeit dafür.«
    Ich spürte seine weichen Lippen, das Kitzeln des dichten Grases unter mir und die Sonnenstrahlen, die meinen Körper erwärmten, und gab es auf. »Also werde ich nie das Vergnügen haben, in deinen Armen aufzuwachen?«, fragte ich bedauernd und fuhr mit dem Finger seine Oberlippe entlang.
    Mein Finger bewegte sich mit seinen Lippen, die sich zu einem Lächeln verzogen. »Wenn du nur ein wenig früher aufwachen würdest, mein Liebling«, erwiderte er. »Aber du schläfst immer wie ein Stein.«
    »Das liegt daran, dass ich die halbe Nacht wach bin, um deine unstillbaren Gelüste zu befriedigen«, protestierte ich. »Anscheinend hast du vor, die zwölf Jahre im Zölibat in einem kurzen Sommer nachzuholen. Offen gestanden, weiß ich nicht, wie du das durchhältst.«
    Sein Lächeln wurde breiter. »Momentan halte ich schlafen für absolute Zeitverschwendung«, meinte er und zog mich an sich, um mich richtig zu küssen.
    Ich konnte ihm nicht widerstehen. Das gelang mir nie. Er brauchte mich nur mit diesem gewissen Ausdruck in den Augen – eigentlich genügte jeder Ausdruck – anzusehen, und ich schmolz dahin wie Wachs unter der Sonne. Dieser Wirkung war er sich nur zu gut bewusst, und da er schnell lernte,

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