Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
»Du bist unmöglich. Es stört dich überhaupt nicht, jeden Winkel meiner heruntergekommenen Seele zu durchwühlen und alle meine Gedanken zu vereinnahmen, aber der Anblick einer Kreditkarte macht dir Angst.«
»Julian, ich will nicht in die Stadt, um einzukaufen, sondern um mich mit meinen Freundinnen zu treffen. Um mir zu überlegen, was ich aus meinem Leben machen soll. Um vielleicht eine Ballettstunde unterzubringen. Und anschließend gehe ich mit dir zum Abendessen und schleppe dich nach oben in dein Schlafzimmer.«
» Unser Schlafzimmer«, verbesserte er mich.
»Nein, dein Schlafzimmer. Wie kann es meins sein, wenn ich es noch nicht einmal gesehen habe?« Ich schob die Hände wieder unter sein T-Shirt. »Möchtest du es nicht einweihen?«, raunte ich ihm verführerisch ins Ohr.
Im nächsten Moment lag ich rücklings im Gras. Sein Gesicht schwebte über meinem. »Oh, wir werden es einweihen«, versprach er mir. »Nur nicht heute Nacht.«
»Julian, das ist unfair …«, begann ich, aber ich erhielt nie Gelegenheit, den Satz zu beenden.
Eine Stunde später brach er in seinem dunkelgrünen Maserati auf. Die Reisetasche lag neben ihm auf dem Beifahrersitz. »Die Sicherheitsfirma bewacht die ganze Nacht das Haus und wird tagsüber regelmäßig vorbeischauen. Schreib mir eine E-Mail. Oder, noch besser, ruf mich an. Dann habe ich wenigstens einen Vorwand, kurz rauszugehen.« Nachdem er mir in die Augen gesehen hatte, zog er mich an sich. »Hast du überhaupt eine Vorstellung, mein Liebling, wie schwer es mir fällt, einfach so wegzufahren? Es ist, als würde einem das Herz aus dem Leibe herausgerissen.«
»Ich begreife immer noch nicht, warum du unbedingt dabei sein musst«, murrte ich, das Gesicht an seine Brust gedrückt.
»Es gibt Gründe. Insbesondere jetzt habe ich nicht die geringste Lust, mich darum zu kümmern. Das weißt du doch, Liebling. Aber man hat mich darum gebeten.«
»Also rettest du jetzt das gesamte weltweite Bankennetz?« Ich zwang mich zu einem Lächeln.
»Wohl kaum«, erwiderte er bescheiden.
»Weißt du, was mich wirklich ärgert?« Ich machte mich los. »Dass du dich mitten ins Getümmel wirfst, während ich hier auf dem Land festsitze. Und dabei war ich einmal selbst dabei. Erst vor wenigen Monaten. Ich habe mich wichtig gefühlt, so als könnte ich etwas bewirken.«
»Kate, du bist wichtig für mich«, sagte er und zog mich wieder an sich. »Nur das zählt.«
»Schon, aber vor zwei Wochen hat das Semester angefangen«, wandte ich bedrückt ein. »Also wirst du in nächster Zeit wohl der Einzige sein, der sich im Glanz meiner Wichtigkeit sonnt.«
Er umarmte mich einen Moment. »Bist du unglücklich?«
Ich zuckte überrascht zusammen. »O mein Gott, Julian, natürlich bin ich glücklich. Es war der schönste Sommer meines Lebens. Es ist nur, dass ich immer unabhängig gewesen bin. Ich habe mir nie gestattet, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Und nun habe ich plötzlich ein Leben, in dem alles passt, ohne etwas dafür getan zu haben. Ich habe dich nicht verdient.« Ich umfasste seinen Kopf. »Du bist einfach aus heiterem Himmel aufgetaucht. Meine fehlende Hälfte. Und außerdem in mich verliebt.«
Seine Hände lagen schwer auf meiner Taille. »Und das genügt dir nicht?«
»Genügt? Es ist zu viel, Julian. Und zu einfach, meinen Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften zu müssen. Nichts selbst zu erarbeiten.« Ich sah ihn keck an. »Außer vielleicht auf dem Rücken liegend.«
Er grinste. »Nicht ausschließlich auf dem Rücken.«
»Hahaha.«
»Ich habe dich angefleht, mich zu heiraten. Sag ja, und ich fahre mit dir sofort zum Rathaus, um dieser unsinnigen Abhängigkeitsdebatte ein Ende zu bereiten.«
»Das wäre doch dasselbe, nur unter einem anderen Namen, oder?«
Er drückte meinen Kopf an seine Brust. »Kate, bitte.«
»Entschuldige.« Ich rieb die Stirn an seinem Hemd. »Vermutlich nennt man das einen Kampf der Kulturen.«
»Es ist ein Unterschied, ob man jemandem etwas gibt oder ob man es mit ihm teilt. Ich gebe dir nichts. Da wir eins sind, gehört es einfach dir.«
»Nun, ich glaube, darüber muss ich noch eine Weile nachdenken.« Ich lehnte mich schmunzelnd zurück. »Schau dich nur an. Denselben Gesichtsausdruck hast du, wenn du die Börsenkurse liest.«
»Du bist um einiges komplizierter als die Börsenkurse«, brummte er. »Schließlich hast du doch nicht gerne bei Sterling Bates gearbeitet.«
Ich schüttelte den Kopf und stellte mich auf
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