Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
sein. Aber, Liebes …« Ihre Stimme erstarb. Michelle war ausgesprochen praktisch veranlagt und in unserem Trio stets die Stimme der Vernunft gewesen.
    »Mir ist klar, was für einen Eindruck es macht«, gab ich zu, als wir an der Lexington Avenue links abbogen. »Und es stimmt, dass ich ganz wahnsinnig in ihn verliebt bin. Mir wird immer noch heiß und kalt, wenn er ins Zimmer kommt.«
    »Gut im Bett, was?« Michelle war kein Mensch, der um den heißen Brei herumredete.
    »Oh, Michelle«, stöhnte ich.
    »Spitze. Also ist er toll in der Kiste, versteht was von Romantik und ist stinkreich. Und du bist wahnsinnig verliebt.« Sie schüttelte den Kopf. »Kate, würdest du bitte mal deinen Verstand einschalten?«
    »Was? Findest du das etwa nicht gut?«
    »Komm schon, Kate. Ich kenne dich. Du bist nicht gerissen genug für so einen Typen.«
    »Julian ist nicht wie die anderen Männer, mit denen ich gegangen bin«, entgegnete ich in scharfem Ton. »Du hast keine Ahnung, Michelle.«
    »Schau ihn dir doch nur an. Du wirst dein Leben lang in seinem Schatten stehen. Die Frauen werden sich ihm zu Füßen werfen. Er ist auch nur ein Mensch. Und denk an die statistische Wahrscheinlichkeit.«
    »Du traust mir nicht zu, ihn zu halten? Glaubst du, er könnte nicht widerstehen?«
    Sie zögerte. »Ich sage ja nur …«
    »Hör mal, könntest du mir den Gefallen tun und ihn zuerst kennenlernen? Ich wünschte, ich könnte dir erklären …« Ich holte tief Luft. »Vertrau mir einfach, okay? Da wären wir.«
    Wir betraten das Café, in dem es trotz der späten Stunde hoch herging. Zum Glück war die Warteschlange an der Theke eher kurz.
    »Und was ist mit dem finanziellen Aspekt?«, wandte sie leise ein.
    »Was soll damit sein?«, raunte ich zurück. Der Mann hinter uns war ein bisschen zu dicht aufgerückt, als wollte er unser Gespräch belauschen. Oder wurde ich jetzt auch schon paranoid? Wir waren an der Reihe, bevor sie Gelegenheit zu einer Antwort hatte. »Was nimmst du?«, fragte ich.
    »Weiß nicht. Ich glaube, einen Milchkaffee mit Vanillegeschmack. Einen großen.«
    »Ich auch«, teilte ich dem Mann hinter der Theke mit, als mir plötzlich etwas einfiel. »Koffeinfrei«, fügte ich hinzu.
    »Seit wann trinkst du koffeinfreien Kaffee?«
    »Es ist spät. Ich würde die ganze Nacht kein Auge zutun.«
    »Ich dachte, genau darum geht es.«
    »Bei meinem Glück kommt er wieder erst um drei zurück«, seufzte ich, reichte dem Kassierer einen Zehn-Dollar-Schein und steckte das Wechselgeld in die Trinkgelddose. Als ich mich umdrehte, wäre ich beinahe mit dem Mann hinter uns zusammengestoßen. Er war sogar noch dichter aufgerückt, als ich gedacht hatte. Wie viel hatte er mitgehört?
    Ich zog Michelle mit und beobachtete dabei, wie der Mann seinen Kaffee bestellte. Er war ganz offensichtlich ein komischer Kauz – nicht dass das in einer Stadt wie New York eine Seltenheit gewesen wäre. Seine Kleidung – marineblaues Polohemd, dunkle Khakihose und tief in die Stirn gezogene Baseballkappe – war in der Upper Eastside zwar nicht ungewöhnlich, doch seine Haltung hatte etwas von einem Sonderling an sich. Außerdem wirkten seine Bewegungen verstohlen; ich hätte ihm durchaus zugetraut, dass er Kinderpornographie sammelte. Sein Gesicht konnte ich zwar nicht richtig sehen, dafür aber sein Haar, das dunkel und lockig unter der Baseballkappe hervorlugte.
    Die Milchkaffees waren fertig, und wir setzten uns mit unseren Bechern an einen gerade frei gewordenen Tisch. Bevor ich noch einen Blick auf den seltsamen Mann riskierte, legte ich mein BlackBerry neben meinen Becher. Er holte gerade seinen Kaffee, offenbar ohne sich für uns zu interessieren. Mein Magen entspannte sich zu meiner Überraschung. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie verkrampft ich gewesen war.
    »Tut mir leid, dass ich so eine Spielverderberin bin«, sagte Michelle und betrachtete mich mit der sorgenvollen Miene, die sie immer aufsetzte, wenn sie voller Zweifel war.
    »Hör auf, dir den Kopf darüber zu zerbrechen, okay? Ich weiß, was ich tue.«
    »Kate, bei ihm ist es genetisch. Er ist der Leitwolf. Der Anführer. Solche Männer bleiben nicht bei einer einzigen Frau, wenn sie nicht härter drauf ist als sie. Kontrolle ist die einzige Sprache, die sie verstehen.«
    »Man muss kein Egomane sein, um Erfolg zu haben, verdammt.«
    »Aber er hat eine starke Persönlichkeit, richtig? Er will, dass alles nach seinem Gusto läuft.«
    »Stärke und Egoismus sind zwei Paar

Weitere Kostenlose Bücher