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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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angebrochen hatte.
    Wie zum Teufel hatte ich das vergessen können? Einfach vergessen? Einen ganzen verdammten Monat lang? Ich, die ich immer so organisiert und methodisch war? War ich geistig wirklich schon so verwirrt? Ich war nicht einmal auf den Gedanken gekommen. Herrje, Kate, haben wir in letzter Zeit unsere Pille genommen? Kein einziges Mal. Fast als ob ich hätte schwanger werden wollen. Wie besessen von einem übermächtigen unterbewussten Wunsch.
    Nein. Unmöglich.
    Meine Hände begannen zu zittern. Welchen Tag hatten wir heute. Den 29. August, richtig? Wie viele Tage waren das? Ich gab das Zählen auf. Sie genügten, dass es hätte geschehen können. Also blieb mir nur übrig, abzuwarten. Die Sache eine Woche lang zu vergessen, bis ich mir Gewissheit verschaffen konnte. Außerdem hatte ich genügend andere Sorgen.
    Ich stand auf und begann wie ein Roboter Gegenstände in meine Reisetasche zu stopfen. Ein Paar Schuhe, die ich vermisst hatte. Mein Lieblingskopftuch für Tage, an denen die Haare nicht richtig sitzen wollten. Einige T-Shirts. Jeans. Dann schloss ich die Tasche, schob die Kartons wieder unters Bett und kehrte zurück ins Wohnzimmer.
    »Altes Mädchen, das ist echt der Wahnsinn«, meinte Charlie und starrte auf den Bildschirm. »Bartiromo interviewt die Leute, und sie zeigen immer wieder die Aufnahme, wie Laurence das Gebäude betritt. Schau, da ist sie wieder.«
    Ich sah Julian, das blonde Haar schimmernd im Licht der Scheinwerfer, selbstbewusst durch die Drehtür schreiten. Er trug einen marineblauen Anzug mit einer roten Krawatte von Hermes und winkte dem Heer von Reportern zu, die ihm Fragen zuriefen. Unglaublich fotogen. Kein Wunder, dass der Sender den Ausschnitt immer wieder brachte.
    »Was erzählen sie?« Ich musste mich zwingen, die Frage zu stellen, ja, sogar mich dafür zu interessieren.
    »Der springende Punkt ist, ob sie den Laden über den Jordan gehen lassen oder nicht.« Charlie verschränkte die Arme.
    »Über den Jordan gehen?« Diese Nachricht durchdrang den Nebel. »Wirklich?« Natürlich hatte ich diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen, aber nie wirklich daran geglaubt. Sterling Bates, dieses angesehene und allseits bewunderte Unternehmen, konnte doch nicht bankrott sein. Das war undenkbar. Hatte Alicia das wirklich geschafft? Hatte eine engstirnige und rachsüchtige alte Ziege tatsächlich Sterling Bates in die Knie gezwungen?
    »Ja, so heißt es wenigstens«, erwiderte Charlie. »Vor einer Sekunde hat Casparino über Southfield geredet. Gut, er hat den Laden nicht namentlich genannt, sondern nur von ›gewissen Hedgefonds‹ gesprochen. Den Gerüchten zufolge hat Southfield Sterling Bates mit den schlechten Anlagen kaputt gemacht. Dann noch die im Mai eingereichte Beschwerde bei der Börsenaufsicht. Sie sagten so etwas wie: Und hier ist Julian Laurence, Chef von Southfield Advisors, der gerade ins Gebäude geht. Wir fragen uns, was wohl der Grund sein mag …« Charlie schüttelte den Kopf. »Lass ihn nicht vom Haken, altes Mädchen. Hol die ganze Geschichte aus ihm heraus. Setz deine weiblichen Reize ein. Das hier hat historische Dimensionen.«
    Historisch? Mir lief ein kalter Schauder den Rücken hinunter. »Okay«, erwiderte ich und räusperte mich. »Ich habe meine Sachen gepackt. Wollen wir abhauen?«
    Charlie sah mich an. »Was? Oh, ja klar«, antwortete er und schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung aus. »Wohin?«
    »Ich würde sagen, wir gehen erst mal zu Julian, wenn du einverstanden bist.«
    »In Ordnung. Ich bin ja nur der Leibwächter. Soll ich deine Tasche tragen?«
    Wir schoben uns zwischen den anderen Passanten hindurch die Lexington Avenue hinunter bis zu Julians Haus in der 74. Straße, wo ich meine Handtasche vergeblich nach dem Schlüssel durchwühlte. »Moment«, sagte ich zu Charlie, nahm ihm die Reisetasche ab und stellte sie auf die Vortreppe. »Irgendwo dadrin muss er sein. Wahrscheinlich ganz unten.« Ich suchte den Umschlag, den er mir vor all den Monaten gegeben hatte.
    »He, altes Mädchen, ich will ja nur ungern als paranoid rüberkommen, aber da drüben an der Ecke lungert ein Typ rum. Er hat gerade hierhergeglotzt.«
    »Was?«, rief ich und richtete mich auf.
    »Siehst du? An der Ecke Park Avenue.«
    Ich konnte gerade noch einen Blick auf eine männliche Gestalt erhaschen, die hinter der Ecke des Wohnblocks am Ende der Straße verschwand. »Bist du sicher, Charlie? Er ist weg.«
    »Altes Mädchen, er hat rumgestanden und uns

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