Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Kopfsteinpflaster ins Rutschen.
»Jetzt hören Sie mir endlich zu. Dieser lächerliche Hass, mit dem Sie mich verfolgen, Geoffrey Warwick, diese heuchlerische Eifersucht wird Julians Tod und Ihren eigenen herbeiführen. Deshalb machen Sie sich besser davon frei, bevor Sie uns noch alle ins Verderben reißen.« Ich griff nach meinem Korb, hängte ihn über den Arm und warf Geoff einen letzten strafenden Blick zu. »Lassen Sie ihn doch einfach glücklich sein, verdammt.«
Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und marschierte in Richtung Rue des Augustins.
21
B lau. Eine blaue Linie. Scharf umrissen und eindeutig. Hier bin ich, Mommy!
Der Stab entglitt meinen zitternden Fingern und landete auf dem Badezimmerboden. Ich starrte darauf – ein Erdbeben, geballt in weißem Plastik.
»Liebling«, rief Julian aus dem Schlafzimmer, »bist du bald fertig? Der Wagen wartet.«
»Äh … ja«, antwortete ich. »Nur noch der Lippenstift fehlt.« Ich hob das vermaledeite Beweisstück auf und schüttelte es, als ob sich das Ergebnis dadurch ändern und es … weniger blau werden würde.
»Kann ich dir helfen?«, fragte er. Seine Stimme näherte sich.
»Nein! Ich bin gleich so weit. Moment.« Ich wickelte den Stab in ein Kosmetiktuch und versteckte ihn hinten in meiner Schublade.
Dann betrachtete ich mein Spiegelbild. Die Friseurin war vor zehn Minuten gegangen, nachdem sie mir das Haar hochgesteckt hatte, so dass sich die Locken in einer kühnen Kaskade um meinen Kopf ringelten. Geschminkt hatte ich mich wie immer selbst, und zwar ein wenig stärker, als mir lieb war. Allerdings hatte ich die Ergebnisse meiner ersten Bemühungen auf der Gesellschaftsseite der Post gesehen und sofort bemerkt, dass die Kamera einem nicht nur fünf zusätzliche Kilo auf die Rippen zauberte, sondern die gleiche Menge an Make-up verschwinden ließ. Ich hatte gewirkt wie eine Studentin. Allerdings nicht auf positive Weise.
»Liebling«, drängte Julian. Inzwischen stand er dicht vor der Tür.
Sofort drehte ich mich um und riss sie auf. »Entschuldige. Findest du, dass ich es übertrieben habe?«
»Ja, aber du siehst trotzdem hinreißend aus.« Julian war nicht unbedingt ein Freund von Make-up.
»Entschuldige«, wiederholte ich. »Aber wenn schon Theater spielen, dann richtig.«
»Was meinst du?«, fragte er und hielt die Hände hoch. »Diamanten oder Rubine?«
»Such du aus.«
Er hielt mir die Ketten nacheinander an den Hals. »Rubine«, beschloss er.
»Nichts ruft so laut nehmt mich zur Kenntnis wie ein Vermögen in Form von funkelnden roten Steinen«, seufzte ich und drehte mich um, damit er mir die Kette umlegen konnte.
»Wenn wir heute Nacht nach Hause kommen«, flüsterte er mir ins Ohr, während seine kühlen Finger sich geschickt an meinem Hals zu schaffen machten, »sollst du nur diese Kette tragen. Sonst nichts.«
Julian hatte einen ganzen Tag lang flehen, seine Verführungskünste einsetzen und leere Drohungen ausstoßen müssen, um mich dazu zu überreden, die Schmuckstücke zu tragen, die er aus dem Safe in Connecticut mitgebracht hatte. Schließlich hatte er sich Michelle und Samantha zur Verstärkung geholt. Verräterinnen. Er hatte sie mit seinem gnadenlosen Charme, seinen Privatflugzeugen und der Finanzierung des Einkaufsbummels aller Einkaufsbummel längst auf seine Seite gezogen. Inzwischen waren sie seine willigen Komplizinnen, schmuggelten Kleidungsstücke an mir vorbei zur Kasse, kamen mit Wagenladungen von Schuhen in meiner Größe nach Hause und zwangen mich, eine Abendrobe nach der anderen anzuprobieren. Dabei hatten sie vor Glückseligkeit glasige Augen, so als würde jedes Lustzentrum in ihrem Gehirn gleichzeitig mit dem Vorschlaghammer bearbeitet.
Ich drehte mich um. Sein Gesicht war so nah, dass ich seine Zahnpasta riechen konnte. »Hm, Pfefferminz«, sagte ich und beugte mich, ohne nachzudenken, vor, um ihn zu küssen.
»Hör auf damit«, murmelte er und umfasste meinen Nacken. »Wir haben keine Zeit.« Seine Lippen senkten sich langsam auf meine. »Verführerin«, seufzte er schließlich und machte sich los. »Jetzt habe ich deinen Lippenstift ruiniert.«
Ich wischte ihm die verräterischen Spuren vom Mund. »Selbst schuld, wenn du mit einem Gesicht wie deinem hier hereinkommst. Wie findest du mein Kleid?«
»Am liebsten würde ich es dir vom Leibe reißen.«
»Also gefällt es dir?« Ich drehte mich um die eigene Achse, dass die perlgrauen Stoffbahnen wirbelten und meine Figur auf
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