Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
gebührenden Empfang bereiten.«
»Julian, ich kann so etwas nicht. Ich bin darin katastrophal. Schau, was im MoMA passiert ist. Ich habe einem Typen ein Champagnerglas über den Schädel gezogen. Und dabei war ich nicht einmal betrunken.«
»Ich werde keinen Moment von deiner Seite weichen«, versicherte er mir.
»Nein, nein, nein. Das ist überhaupt nicht meine Welt. Ich soll als deine Vorzeigefrau in Designerkleidern herumstaksen? Spinnst du?«
Er betrachtete mich stirnrunzelnd. »Ich dachte, du wolltest ein wenig Zeit in der Stadt verbringen.«
»Das heißt nicht, dass ich mich von dir in eine Dame der Gesellschaft verwandeln lassen möchte. Ich hatte da eher an eine Karriere gedacht.«
»Als was?«
»Keine Ahnung. Mir fällt schon etwas ein.« Ich stand auf und griff nach einem Handtuch. »Warum färbst du mir nicht gleich die Haare blond und steckst mich zu Geoffs Frau nach Greenwich?«
»Um Himmels willen. Wer hat denn von Greenwich geredet?«
Ich stieg aus der Wanne und wickelte mich in das schützende Handtuch. »Aber darauf würde es doch hinauslaufen, oder? Bald sitze ich draußen in einem Vorort, kriege Kinder und esse mit den Ehefrauen anderer Hedgefonds-Manager im Tennisclub zu Mittag. Der neueste Klatsch und … und Handtaschen . Genau das habe ich die ganze Zeit befürchtet.«
»Herrje, Kate.« Er ließ den Kopf auf den Wannenrand sinken und blickte mit finsterer Miene zur Decke. »Wir sprechen doch nur von ein paar Monaten. Außerdem hast du nicht das geringste Interesse an Handtaschen.«
»Doch«, entgegnete ich. »Ich mag Handtaschen. Ein bisschen. Das ist das Problem. Es wäre zu leicht, einfach … so zu werden. Oberflächlich und selbstgerecht.«
»Das ist absurd. So etwas würdest du niemals tun. Du bist nicht wie diese Frauen. Deshalb liebe ich dich ja.«
»Warum versuchst du dann mich zu einer von ihnen zu machen?«
Er stand auf, so dass ihm das Wasser verführerisch vom Körper rann, nahm ein Handtuch und schlang es sich um die Taille. Er hatte die Figur eines sportlich aktiven Mannes mit geschmeidigen Muskeln, die unter einer schimmernden Haut spielten, was es schwierig machte, sich auf den Streit zu konzentrieren. »Zum letzten Mal«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und kletterte aus der Wanne. »Nichts läge mir ferner als das. Es geht nicht darum, dich in eine Dame der Gesellschaft zu verwandeln. Das Ziel ist, herauszufinden, wer unser Leben ruinieren will, um ihn aufzuhalten, bevor er Gelegenheit dazu erhält.«
»Wer will unser Leben ruinieren? Und warum?«
»Ich weiß es nicht! Genau das möchte ich ja in Erfahrung bringen. Falls du mich lässt.« Er griff nach einem zweiten Handtuch und frottierte sich das Haar.
Ich starrte ihn entgeistert an. »Du bist tatsächlich paranoid.«
Er drehte sich zu mir um. »Ja, bin ich«, erwiderte er mit bebender Stimme. »Die Sorge um dich bringt mich um den Verstand.«
»Dann hör auf, deine Zeit zu verschwenden. Mir geht es gut. Du solltest dir größere Sorgen um dich selbst machen. Du bist viel mehr Zielscheibe als ich.«
»Mag sein. Aber du bist diejenige …« Er verstummte.
»Wovon redest du? Was wird hier gespielt?«
»Verdammt«, murmelte er, wandte sich von mir ab und schlug mit der Faust auf die Ablage. »Ich wünschte, ich wüsste mehr. Ich habe mir das Hirn zermartert, um mich zu erinnern …«
»An was erinnern?«
»Einzelheiten. Hinweise, Kate. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur, dass jemand uns Böses will. Jemand hat es auf uns abgesehen. Auf dich . Es könnte der Bursche sein, der Hollander belästigt hat. Vielleicht hängt es auch mit diesem Bankenchaos zusammen. Keine Ahnung, verdammt.« Überwältigt ließ er den Kopf hängen. »Aber die Bedrohung ist echt, Kate. Das musst du mir glauben.«
Seine Verzweiflung war so offensichtlich, dass mein Ärger von Mitgefühl abgelöst wurde. »Sieh mal«, sagte ich beschwichtigend, »du darfst nicht glauben, dass du alles im Leben beeinflussen kannst. Das geht nicht. Ich könnte morgen von einem Bus überfahren werden. Du auch. Allerdings sind die Chancen ziemlich gering. Warum also unsere gemeinsame Zeit damit verderben, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was alles passieren könnte?«
»Kate«, meinte er zögernd und betrachtete dabei unsere Spiegelbilder, »kannst du es nicht wenigstens versuchen? Ich gebe dir mein Wort, dass es nicht lange dauern wird. Diesen albernen Clubs und Ausschüssen brauchst du nicht beizutreten. Ich
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