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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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höchst anziehende Weise umflossen. Ich musste zugeben, dass diese Modeschöpfer etwas von ihrem Geschäft verstanden.
    »Ich verabscheue es. Jeder anwesende Mann wird dasselbe denken wie ich.« Stirnrunzelnd blickte er zu Boden.
    »So etwas nennt man einen Push-up-BH, Julian«, erklärte ich.
    »Verdammt«, murmelte er.
    »Das alles war deine Idee, schon vergessen? Ich befolge nur Befehle.«
    »Ich würde es eher als Rache bezeichnen. Also gut.« Er bot mir den Arm. »Sollen wir, Mrs. Ashford?«
    »Vielen Dank, Captain Ashford.« Ich hakte ihn unter und nahm mein mit Edelsteinen besetztes Abendtäschchen von der Kommode. »Du siehst aber auch zum Anbeißen aus.«
    »Nur derselbe alte Frack«, meinte er.
    »Doch du trägst ihn so gut.«
    Wir gingen nach unten, wo Eric, mein hünenhafter neuer Leibwächter, uns erwartete wie ein zweibeiniger Dobermann. Julians Hand glitt zu meinen Fingern. »Herrgott, Kate«, rief er, »die sind ja eiskalt.«
    »Lampenfieber«, antwortete ich.
    Julian umfasste meine Hand und nickte Eric zu, damit dieser zur Tür hinaus und die Vortreppe hinunter zu der schwarzen Limousine ging, die am Straßenrand stand.
    Ich fühlte mich, als wäre mein Gehirn zwiegespalten. Die eine Hälfte flirtete mit Julian, als ob alles in bester Ordnung wäre, die andere rechnete panisch nach, wie weit die Sache wohl schon fortgeschritten war. Ich hatte noch eine Woche gewartet und wider alle Vernunft gehofft, bevor ich den Test gemacht hatte. Und dennoch war ich beim Anblick der blauen Linie merkwürdig überrascht gewesen. Ich konnte doch unmöglich schwanger sein. Wir hatten es schließlich nicht darauf angelegt. Es war nur ein einziger jämmerlicher Monat. Andere Paare versuchten jahrelang, ein Kind zu bekommen. Und bei uns? Peng? Einfach so. Schwanger? Das konnte einfach nicht stimmen.
    Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach, so dass sich mein Körper plötzlich klamm anfühlte. Und war das etwa Übelkeit? Bitte nicht. Bitte nur Übelkeit vor Lampenfieber, keine Schwangerschaftsübelkeit.
    »Fehlt dir etwas?«, fragte Julian unvermittelt und musterte mich.
    »Nur nervös.« Ich lachte blechern auf. »Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.«
    »Heute Abend dürfte es nicht so schwierig werden, Liebling«, erwiderte er und legte mir den Arm um die Schultern. »Sogar du hast dich darauf gefreut.«
    »Ja, aber du doch besonders. Schließlich bist du der Opernliebhaber.«
    »Zum Saisonauftakt wird keine richtige Oper mehr gespielt«, entgegnete er abfällig. »Ein bisschen Traviata , ein bisschen Manon , die Schlussszene von Capriccio . Inzwischen ist es ein gesellschaftlicher Anlass.«
    »Aber kommt es uns nicht gerade darauf an?«
    »Ja«, gab er in melodramatischem Ton zurück. »Doch ich traure um die Kunst.«
    »Es wird noch andere Gelegenheiten geben, in die Oper zu gehen.«
    »O ja«, sagte er, »wenn das hier vorbei ist und wir wieder ein normales Leben führen können.«
    »Können wir die Katze wirklich wieder zurück in den Sack stecken?«, fragte ich bedrückt. »Du bist jetzt der Retter der Wall Street, die in dieser Stadt mehr oder weniger das gesamte Universum verkörpert. Außerdem ist da noch dein unverschämt fotogenes Gesicht«, fügte ich hinzu und griff nach seiner Hand. »Du hast sie alle im Sturm erobert.«
    Mit einem zweifelnden Stirnrunzeln sah er aus dem Fenster, denn er fühlte sich in dieser Situation ebenso unwohl wie ich. Die letzten Wochen hatten etwas Unwirkliches gehabt. Beim Aufwachen am Morgen nach Julians Rückkehr von den Verhandlungen mit Sterling Bates hatte ich feststellen müssen, dass mein Geliebter ein Held war. In einem Raum voller Banker hatte er einen mutigen Schritt unternommen, um das Kartenhaus vor dem Einsturz zu bewahren. Da Southfield mehr oder weniger aufgelöst war, hatte er fast sein gesamtes persönliches Eigenkapital in eine neue Firma gesteckt, um Auktionen zur Veräußerung der wertlosen Sicherheiten durchzuführen, die Sterling Bates in die Pleite zu reißen drohten. Dann hatte er andere überredet – unter Druck gesetzt, angefleht, was auch immer –, das Gleiche zu tun. Und zu guter Letzt hatte er den Rücktritt der wichtigsten Vorstandsmitglieder von Sterling Bates, eine Auslagerung beziehungsweise Reorganisation der verschiedenen Abteilungen der Bank zur Beschaffung von Kapital sowie die Einführung neuer und strenger Regeln zur Risikenminimierung gefordert.
    Natürlich dauerte es einige Tage, bis Julians Rolle in diesem Debakel ans

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