Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
zurückkommst? Das Zittern wurde stärker und kroch meine Arme hinauf in den Oberkörper.
Okay, denk nach. Bleib ruhig. Gerate nicht in Panik. Streng dein Gehirn an. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Wer könnte wissen, wo sie hingefahren sind?
Die Antwort lag auf der Hand – Hollander, der weltweit führende Experte in Sachen Julian Ashford. Ich machte mich auf den Nachhauseweg. Nachdem ich das Auto in der Garage abgestellt und den Schlüssel für den Parkwächter hatte stecken lassen, hastete ich über die Straße zu Julians Haus. Unserem Haus.
Eric stand, das Telefon am Ohr, auf der Vortreppe. Bei meinem Anblick beendete er das Gespräch, kam mir entgegen und packte mich an den Armen. »Mrs. Laurence! Was ist passiert?«
»Alles in Ordnung«, erwiderte ich fröhlich. »Mr. Haverton ist … unten übel geworden. Ich habe ihn nur nach Hause gebracht. Es tut mir leid, dass Sie sich Sorgen gemacht haben. Sind die anderen drinnen?«
Er musterte mich argwöhnisch. »Wo ist Mr. Laurence?«
»Mr. Laurence hielt es doch für besser, ihn in die Notaufnahme zu fahren. Sie sind jetzt dort«, entgegnete ich. Die Lügen kamen mir leicht über die Lippen, denn eines stand fest: Ich durfte niemandem außer Hollander erzählen, was geschehen war. Zumindest im Moment. Nicht auszudenken, welche Folgen es haben würde, wenn die anderen die Wahrheit kannten.
Eric wusste, dass ich log. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben. Vermutlich lernte man so etwas in der Leibwächterschule. Aber er nickte nur und hielt mir die Tür auf. »Alle sind drinnen«, teilte er mir mit. »Ich warte hier.«
»Danke, Eric«, sagte ich. »Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn wir Sie brauchen.«
»Gut, Mrs. Laurence.«
Unsere Gäste hatten sich im Wohnzimmer versammelt. Als ich hereinkam, blickten alle auf. »Schatz!«, rief Mom und lief mir entgegen. »Was ist passiert? Julian und Geoff sind plötzlich aufgesprungen und rausgerannt. Und dann …«
»Ach, alles bestens«, entgegnete ich. »Tut mir leid, dass ihr euch Sorgen gemacht habt. Aber Arthur ist auf dem Weg zur Toilette umgekippt. Er hat Blut erbrochen. Schrecklich. Wie in einer Folge von Dr. House . Also habe ich ihn ins Auto verfrachtet und bin mit ihm nach Lenox Hill gefahren, anstatt auf einen Krankenwagen zu warten. Dann habe ich Julian angerufen. Er hat natürlich einen Anfall gekriegt.« Ich lachte auf. »Jedenfalls sind sie jetzt alle dort und warten darauf, dass ein Arzt sich um ihn kümmert. Das absolute Drama.«
»O mein Gott!« Mom betrachtete mich. »Werdet ihr nicht euren Flug verpassen?«
»Nein, Mom. Es ist ein Privatjet. Der startet nicht ohne uns. Wir können ja schlecht in die Flitterwochen fliegen, und der arme Arthur …« Meine Stimme zitterte, allerdings nicht absichtlich.
»O Mann«, sagte Charlie. »Schade, dass ich das verpasst habe. Blut kotzen. Beeindruckend. Hoffentlich wird er wieder.«
»Ja. Offenbar ist es eine Virusinfektion und häufiger, als man denkt.« Ich gähnte.
»Möchtest du, dass wir bleiben, Schatz?«, fragte Mom.
»Bleiben? Bleibt ihr nicht sowieso?«
»Nein, wir fliegen heute Abend nach Hause«, erklärte mein Vater. »Ich muss morgen zur Arbeit.«
»Ach, natürlich. Ich hatte ganz vergessen, dass wir Montag haben.«
Kyle schnaubte. »Wir sind eben nicht alle mit Milliardären verheiratet.«
Da ich kein Wort herausbrachte, verdrehte ich nur tapfer die Augen.
»Dann fahren wir jetzt los, Schatz«, meinte Mom. »Noch mal Glückwunsch. Wir freuen uns ja so für dich. Und sobald du aus den Flitterwochen zurück bist, möchte ich anfangen, deine richtige Hochzeit zu planen. Zu Hause in Wisconsin. Ich kann es kaum erwarten, meinen Schwiegersohn vorzuzeigen.« Sie umarmte mich.
»Ja«, sagte ich und musste die Tränen unterdrücken, als ich die Umarmung erwiderte. »Ich wette, ihm geht es genauso.«
Alle verabschiedeten sich mit Umarmungen und Glückwünschen, und es gelang mir irgendwie, die Haltung zu bewahren und mir die Panik nicht anmerken zu lassen. »Ist alles in Ordnung, Mrs. Laurence?«, erkundigte sich Andrew Paulson, während er sich kurz über meine Wange beugte.
»Nicht unbedingt«, raunte ich mit einem fröhlichen Lächeln. »Aber ich bin sicher, dass sich alles klären wird.«
»Falls Sie Hilfe brauchen, können Sie jederzeit …« Er drückte meine Hand.
»Ich weiß. Vielen Dank.«
Dr. Hollander war vermutlich mit Absicht der Letzte. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet, und ich spürte seinen
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