Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
seine Frau. Sie werden es mir sagen.« Ich ging zu Julians Schreibtisch. »Sicher hat Allegra alles organisiert, aber vielleicht hat er die Reisedaten hier irgendwo.« Ich riss Schubladen auf und suchte nach einem Hinweis.
»Nehmen Sie den Computer«, schlug Hollander vor.
»Gute Idee«, erwiderte ich und griff nach Julians Laptop, klappte ihn auf und schaltete ihn an. Wunderbar. Nun konnte ich wenigstens etwas tun. Ich war nämlich Expertin darin, die Panik zurückzudrängen, indem ich mich beschäftigte. Augen zu und durch.
Julians MacBook fuhr in vier kurzen Sekunden hoch und hielt dann inne, um ein Passwort von mir zu erfragen. Ich wusste, wo Julian sie aufbewahrte. Er hatte es mir gleich zu Anfang gezeigt und mich mit seinem Vertrauen fast zu Tränen gerührt. Also holte ich die abgegriffene Ausgabe von Grahams und Dodds Security Analysis aus dem Regal und schlug den hinteren Buchdeckel auf. Da stand sie, die Liste der Passwörter, für jeden Monat eines.
Das MacBook gab ein zufriedenes Geräusch von sich und gewährte mir Zugang zu seinem Desktop. Julian legte großen Wert auf Ordnung. Keine lose herumliegenden Dateien. Ich klickte das Symbol für E-Mail an und gab ohne die Spur eines schlechten Gewissens NetJets ins Suchfeld ein.
Bingo. Er oder Allegra hatte gestern Abend reserviert. Ich hatte die Bestätigung mit Kundennummer und Flugnummer vor mir. Start am Flugplatz Teterboro um zehn Uhr abends.
Ich sah auf die Uhr. Viertel nach zehn. Wo war mein Telefon? »Mist«, sagte ich und wandte mich an Hollander. »Hat jemand meine Handtasche aus dem Restaurant mitgenommen?«
»Handtasche?« Als ob er dieses Wort noch nie im Leben gehört hätte.
»Das können Sie natürlich nicht wissen. Ich frage Eric.« Ich stand auf und durchquerte das Wohnzimmer. Doch noch ehe ich die Tür erreichte, sah ich meine schwarze Satintasche am Pfosten des Treppengeländers hängen. Wenigstens etwas, das dort war, wo es hingehörte.
Ich holte mein BlackBerry heraus, eilte zurück in die Bibliothek und wählte die Nummer von NetJets. »Hallo.« In ruhigem, professionellem Ton gab ich die Kundennummer an. »Hier spricht das Büro von Mr. Laurence. Ich wollte nur wissen, ob sein Flug pünktlich gestartet ist.«
»Einen Moment, bitte«, sagte eine freundliche Kundendienstmitarbeiterin.
Ich klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte, wartete und sah Hollander an, der meinen Blick unverwandt erwiderte. Seine Stirn war sorgenvoll gerunzelt.
Die Stimme meldete sich wieder. »Danke für Ihre Geduld. Ja, ich habe hier eine Bestätigung, dass die Maschine Teterboro um einundzwanzig Uhr achtundfünfzig verlassen hat.«
Ich atmete erleichtert auf. Oder gab es doch Grund zur Angst? Ich war nämlich nicht sicher, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Aber jedenfalls wusste ich jetzt, dass sie ihn weggebracht und nicht einfach niedergeschossen hatten. »Vielen Dank. Ach, noch etwas. Mr. Laurence hat angedeutet, er wolle das Ziel möglicherweise in letzter Minute ändern. Können Sie mir bestätigen, ob die Maschine tatsächlich nach« – ich sah wieder auf den Bildschirm – »Marrakesch geflogen ist?«
»Einen Moment, bitte.« Warteschleifenmusik. Ich kaute nervös an der Unterlippe und schob das Bild beiseite, wie ich mit Julian in einem Privatflugzeug über dem Atlantik schwebte. Zum Glück kehrte die Stimme zurück, bevor meine Willenskraft versagte. »Danke für Ihre Geduld. Nein, laut endgültigem Flugplan war das Ziel Manchester in England.«
»Manchester, England. Wie ich mir gedacht hatte. Vielen Dank.« Ich beendete die Verbindung und blickte Hollander an. »Also?«, fragte ich. »Manchester?«
»Southfield«, erwiderte er leise. »Sie wollen nach Southfield.«
»Southfield? Meinen Sie das Landgut von Julians Familie?«
Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Etwas anderes kommt nicht in Frage.«
»Aber was hat Southfield mit Florence Hamilton zu tun?«
Er setzte sich auf die Schreibtischkante und verschränkte die Arme. »Wenn Sie mein Buch gelesen hätten«, entgegnete er, »würden Sie wissen, dass sie in ihrem Testament um die Ehre gebeten hat, auf dem Friedhof von Southfield bestattet zu werden. Da sie freundschaftlichen Kontakt mit den Erben pflegte, wurde ihrer Bitte stattgegeben. Man schlug Florence Hamilton nichts ab. Auch nicht nach ihrem Tod.«
»Die hatte vielleicht Nerven«, zischte ich. »Julian muss außer sich gewesen sein, als er es erfuhr.«
»Ja, die Wahrheit über sein Verhältnis
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