Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
wartenden leeren Wandschränke. Wie er sich innerhalb von Sekunden in mich verliebt hatte.
»Kate«, hörte ich seine Stimme, »ist alles in Ordnung? Kannst du es lesen?«
Ich betrachtete sein schönes junges Gesicht, das so ernst, besorgt und arglos dreinblickte.
»Ja«, antwortete ich leise.
»Siehst du? Alles ist gut. Ich wollte es.« Er stellte die Kerze weg, nahm den Ring, steckte ihn mir wieder an und küsste ihn. Seine Lippen brannten auf meiner eiskalten Haut. »Natürlich wollte ich sichergehen, dass ich dich erkenne, wenn du mich suchen kommst. Also ist alles gut. Ich soll bei dir bleiben und dich heiraten, Liebling.« Sein Ton war leise und eindringlich. Noch einmal küsste er meine Hand, dann meine Lippen.
»Natürlich«, erwiderte ich. Es war klar, dass er es so deuten würde. Julian – ganz gleich, ob der moderne oder der von früher – wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass er keinen Einfluss auf sein Schicksal haben könnte und dass all seine Warnungen und seine Wachsamkeit nur Teil eines bereits vorherbestimmten Plans waren.
Mir jedoch fiel es wie Schuppen von den Augen. Julian hatte meine Worte schon einmal gehört und das alles durchlebt, und es hatte ihm nichts genutzt. Allein der Versuch, die Zeitreise zu verhindern, würde dafür sorgen, dass sie unweigerlich stattfand. Und alles, was ich zu ihm sagen würde, war in dieser festgelegten Kette der Ereignisse bereits ausgesprochen worden.
Unser Kennenlernen, unser wunderschöner Sommer, unsere Hochzeit und sein Tod würden stattfinden, ohne dass ich etwas daran ändern konnte. Dass meine Fehler nicht mehr rückgängig zu machen waren, hatte von Anfang an festgestanden.
Ich war gescheitert, bevor ich überhaupt angefangen hatte.
27
U m zwölf Minuten nach Mitternacht starteten Dr. Hollander und ich in Teterboro.
Bei NetJets hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Julian hatte das Konto am Tag, nachdem er es mir geschenkt hatte, unter meinem Namen aktiviert. Da man mit einer JetCard ganz unten in der Hierarchie der Teilhaber angesiedelt war, musste ich eine astronomische zusätzliche Gebühr entrichten. Nun, für mich klang sie astronomisch, bis mir einfiel, dass ich eine Summe wie diese inzwischen aus der Portokasse bezahlen konnte. Also hatte ich die schwarze Kreditkarte gezückt, die Julian mir vor so vielen Monaten gegeben hatte. Diesmal störte es mich nicht, sie zu benutzen.
»Sie sollten schlafen«, riet Hollander und musterte mich mit einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten konnte. Besorgt? Schicksalsergeben?
»Ich kann nicht schlafen, bevor ich nicht weiß, dass er in Sicherheit ist.«
Er erwiderte nichts.
»Es sieht schlimm aus, stimmt’s?«, fragte ich. »Sie glauben, dass sie ihn umbringen werden.«
»Nein«, sagte er zu schnell.
»Nun, wir sollten es aber in Betracht ziehen, oder?«, gab ich ruhig zurück und hob den Kopf. Wenn ich eines während meiner letzten Jahre in einer Investmentbank gelernt hatte, dann das, komplexe Probleme zu lösen. Man teilte sie in mundgerechte Portionen auf, analysierte jede für sich, setzte sie anschließend wieder zusammen und schaffte die Sache aus der Welt. »Also ich sehe hier drei mögliche Szenarien«, fuhr ich fort. »Das erste: Arthur und Geoff wollen wirklich nur mit ihm sprechen und ihm die Ehe mit mir madigmachen, indem sie ihm Florence’ Grab zeigen. Das wäre die einfachste Möglichkeit. Aus dieser Situation kann er sich herausreden und in das nächste Flugzeug nach Hause steigen.«
»Gut, da stimme ich mehr oder weniger zu. Und das zweite?«
»Dass sie eigentlich nicht planen, ihn zu töten. Aber dann dreht Arthur durch. In diesem Fall hängt alles von Geoff ab. Davon, auf welche Seite er sich schlägt. Deshalb ist ein schlechter Ausgang möglich.«
»Und das dritte?«
»Dass sie tatsächlich vorhaben, ihn umzubringen.«
»Ich halte das wirklich nicht für wahrscheinlich.«
»Aber es könnte sein. Und da es die schlechteste Alternative wäre, müssen wir uns darauf konzentrieren. Was tun wir? Wie halten wir sie auf?«
»Das können wir nicht«, entgegnete er. »Von körperlichen Auseinandersetzungen verstehe ich überhaupt nichts.«
»Wir könnten die Polizei holen.«
»Was? Und uns ausfragen lassen?« Sein Ton war schneidend.
»Wenn es sein muss, ja!«, rief ich zornig. »Julians Leben ist mir wichtiger, als diese Sache geheim zu halten, verdammt.«
»Es darf auf keinen Fall bekannt werden!«, zischte er. »Unmöglich! Sie verstehen das
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