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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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den Dächern rufen. Liebling, was hast du?«
    »O nein!«, stieß ich hervor.
    »Was ist?«, fragte er erschrocken.
    Ich sprang aus dem Bett und schaffte es gerade noch rechtzeitig zum Waschtisch, um mich in die Schüssel zu erbrechen.
    »Mein Gott, Kate!«
    »Alles in Ordnung«, sagte ich zitternd. Ich spürte, wie sich die grobe Wolldecke auf meine Schultern senkte. Julian führte mich zum Bett.
    »Setz dich«, wies er mich an. »Ich hole dir ein Glas Wasser.« Er schenkte aus der offenen Perrierflasche auf dem Nachttisch ein. »Hier.«
    Ich trank ihm zuliebe einen Schluck, doch mein Magen begann sofort wieder zu rebellieren. »Vielleicht später«, sagte ich mit zitternder Stimme.
    »Liebling, was fehlt dir? Ich werde noch verrückt!«
    »Ach nichts, nur eine kleine Magenverstimmung.«
    Er packte mich an den Armen und sah mir ins Gesicht. »Du sagst mir nicht die Wahrheit.«
    Mit gesenktem Kopf nestelte ich am Saum der Decke herum. »Nein«, gab ich zu.
    »Aber du verrätst mir auch nicht, was du hast?«
    »Nein.«
    Er nahm mich an den Schultern und zog mich zurück auf das dünne Kopfkissen. »Lässt du mich dann raten?«, fragte er mit sanfter Stimme.
    »Nein.«
    »Ist es eine Krankheit?«
    Ich zögerte bedrückt. »Nein.«
    »Hast du etwas Falsches gegessen?«
    Wieder eine Pause. »Nein.«
    »O Kate«, flüsterte er. Wir schwiegen eine lange Zeit und lauschten dem Knarzen des Hauses. Schließlich legte er mir die Hand auf den Bauch. »Sag mir wenigstens eines: Wusste ich es?«
    »Ja.«
    »Dann heiraten wir«, verkündete er, »wenn ich das nächste Mal Urlaub habe. Ich werde so schnell wie möglich welchen beantragen. Nicht, dass ich dich nicht bereits als meine Frau betrachten würde, doch ich möchte nicht, dass auch nur die geringsten Fragen aufkommen, falls mir doch etwas zustoßen sollte.«
    Ich nickte hilflos. Wie sollte ich widersprechen?
    »Meine Eltern werden für dich sorgen«, fuhr er fort. »Hier in Frankreich kannst du nicht bleiben. Es ist zu gefährlich.«
    »Deine Eltern? Ich kenne sie doch gar nicht. Sie werden mich für ein amerikanisches Flittchen halten, das nur hinter deinem Geld her ist …«
    »Ich werde ihnen in aller Deutlichkeit erklären, wer du bist. Und sie werden dich lieben. Insbesondere mein Vater. Du bist genau der Typ Frau, der ihm gefällt.« Er küsste meine Schläfe.
    »Wie kannst du mir so vertrauen?«, flüsterte ich. »Ich falle dir einfach vor die Füße, behaupte, deine Frau zu sein, und bin überdies schwanger. Und du stellst mich nicht einmal in Frage?«
    »Ich habe dich ausgefragt. Und zwar gründlich.« Er küsste mich wieder, um seine Gründlichkeit unter Beweis zu stellen.
    »Aber ein Baby, Julian. Ich könnte versuchen es dir unterzuschieben. Dir, dem vermutlich begehrtesten Junggesellen Englands. Hast du denn gar keine Angst, das alles könnte nur ein ausgeklügelter Trick sein?«
    »Kate«, tadelte er mich und zog meinen Kopf an seine Schulter, »wenn du mich hereinlegen und mir ein Kind anhängen wolltest, hättest du dir doch sicher etwas Plausibleres ausgedacht als eine Zeitreise!«
    »Das ist unfair«, wandte ich ein. »Bis vor einer Stunde warst du noch eine errötende Jungfrau. Du …«
    Ich hielt inne. Meine Worte hallten mir in den Ohren wider.
    Eine Jungfrau.
    Ja, das hatte er mir an einem längst vergangenen Tag in der Bibliothek gestanden. Während des Kriegs.
    »Julian«, begann ich, das Gesicht an seine Schulter geschmiegt. Meine Stimme klang ganz weit entfernt. »Was ist in den Ring eingraviert?«
    »Möchtest du es lesen?«
    »Ja, sehr gern.« Ich war wie erstarrt. Er nahm meine Hand, zog mir den Ring vom Finger und griff nach der flackernden Kerze.
    Ich beugte mich über den schmalen Reif und sah genau hin. Die winzigen, elegant geschwungenen Buchstaben waren anfangs schwer zu entziffern.
    An diesem Ring sollst du sie erkennen.
    Kälte stieg mir von den Fingern den Arm hinauf bis in die Brust. Er hatte es gewusst. Mein Gott, er hatte es gewusst.
    All das war schon einmal geschehen. Ich war bereits hier gewesen. Julian, mein moderner Julian, hatte mit mir in diesem Bett gelegen und mich schon lange vor jenem Dezembervormittag bei Sterling Bates gekannt, als er mich so angestarrt und nach den richtigen Worten gesucht hatte. Gedankenfetzen wirbelten mir durch den Kopf, Dinge, die er gesagt hatte und die mir damals merkwürdig erschienen waren. Seine scheinbar grundlose Angst um meine Sicherheit. Die seltsame Trauer nach unserer Hochzeit. Die

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