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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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einige Mails geschickt und ihn sogar angerufen, doch keine Reaktion. Das Telefon hatte nicht einmal geläutet, sondern sofort auf Mailbox umgeschaltet. Vermutlich hatte er es im Restaurant liegenlassen. Oder Arthur hatte es ihm abgenommen. Trotzdem holte ich mein Telefon heraus und tippte eine weitere Nachricht.
    »Wo bist Du? Sterbe vor Angst.« Meine Finger schwebten kurz über den Tasten . »Ich liebe Dich«, fügte ich dann hinzu. Senden . Ich steckte das Telefon ein und blickte wieder in Richtung Friedhof.
    Inzwischen waren drei Gestalten zu sehen, die sich zögernd zwischen den Grabsteinen bewegten.
    Mir stockte der Atem. Ich konnte zwar im Dunst weder Gesichter erkennen noch Haarfarben unterscheiden, wusste aber genau, wen ich vor mir hatte, denn der Wind vom See her trug ihre im Streit erhobenen Stimmen an mein Ohr.
    Ich erstarrte und beobachtete entsetzt die Szene. Verstehen konnte ich die Männer zwar nicht, doch einer wich plötzlich mit ausgebreiteten Händen zurück. Hatte sein Haar gerade golden aufgeblitzt? Ich war nicht sicher. »Julian!«, stieß ich hervor, doch der Wind verwehte meinen Ruf. Dann hob ein anderer den Arm und zielte mit einem dunklen, glänzenden Gegenstand auf ihn. Julian – war es Julian? – kam mit einschmeichelnd ausgestreckten Händen auf ihn zu. »Nein!«, hörte ich mich schreien.
    Natürlich konnten sie mich nicht hören. Dennoch blickte der Mann mit der Pistole in meine Richtung, hielt kurz inne und flüchtete sich dann zwischen die Bäume. Die anderen folgten ihm.
    Ich kletterte den Vorsprung hinunter, so dass die Kieselsteine unter meinen vom Regen nassen Turnschuhen wegrutschten. Die letzten Meter sprang ich und landete schwer auf den Füßen. Dann rannte ich auf den Friedhof zu.
    Doch es war niemand da. Nur ein verwitterter weißer Zaun, der einen neuen Anstrich bitter nötig hatte. Die Grabsteine waren im Schachbrettmuster angeordnet. Sie sahen identisch aus. In schlichten Buchstaben waren Namen und Daten eingemeißelt. Außerdem lateinische Inschriften, die ich nicht übersetzen konnte.
    Als ich zwischen die Bäume spähte, um festzustellen, in welche Richtung sie gelaufen waren, trug der Wind plötzlich einen unverkennbaren Knall heran.
    »Nein!«, schrie ich. Und schon hörte ich den nächsten.
    Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Bleib ruhig, sagte ich mir und spürte, wie mein Verstand sich von der Situation löste, um sie sachlich zu betrachten. Nur wieder ein Problem, das aus der Welt geschafft werden wollte.
    »Kate?«
    Erschrocken fuhr ich herum. »Wer ist da?«
    »Ich bin hier oben. Haben Sie etwas gefunden.« Hollander blickte besorgt zu mir hinunter.
    »Ich glaube, ich habe gerade aus dem Wald Schüsse gehört«, erwiderte ich ruhig und gefasst. »Ich gehe nachschauen.« Warum klang ich nicht panisch.
    »O mein Gott! Warten Sie, ich komme runter.«
    Im nächsten Moment bewegte sich etwas zwischen den Bäumen. Ich schnappte nach Luft und hielt angestrengt Ausschau. War es nur der Wind? Schritt für Schritt und mit klopfendem Herzen näherte ich mich der Stelle.
    Da war es wieder. Ein farbiges Aufblitzen unter einem großen Kastanienbaum. »Wer ist da?«, fragte ich laut.
    Keine Antwort.
    »Ich bin es, Kate. Wo ist Julian?«
    Eine zierliche braunhaarige Gestalt trat unter den Bäumen hervor. Der Mann trug eine Tweedjacke und Chinos und hatte den Kragen schützend hochgeschlagen. Arthur Hamilton.
    »Arthur«, sagte ich und ging auf ihn zu. »Arthur, ich bin es, Kate. Wie fühlen Sie sich? Können Sie mir sagen, wo Julian ist?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Arthur«, wiederholte ich. »Sie können es mir sagen. Ich bin auch nicht böse. Schließlich haben Sie viel mitgemacht.«
    »Schlecht gelaufen«, murmelte er. »Sehr schlecht gelaufen.«
    »Ja, ganz sicher«, erwiderte ich, ohne auf das panische Klingeln in meinen Ohren zu achten. »Sicher sehr schlecht. Also, wo ist Julian? Und Geoff?«
    Inzwischen war ich nur noch fünf Meter entfernt und konnte seinen Gesichtsausdruck erkennen – benommen, fragend und vielleicht ein wenig verärgert. Er hatte eine kleine Verletzung unter dem Auge, die bereits anzuschwellen begann. Ein dunkler Fleck verunzierte seine Jacke unterhalb des Kragens.
    Langsam schüttelte er den Kopf. »Im Bootshaus. Alle tot«, antwortete er. »Schlecht gelaufen.«
    »Nein«, widersprach ich, »sie sind nicht alle tot. Sie haben sie bestimmt nicht umgebracht.«
    »Geoff«, entgegnete er. »Ich habe es nicht geschafft. So etwas

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