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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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wagte, holperten wir in unserem hoffnungslos untermotorisierten Auto weiter. Mir wurde klar, dass ich mich in der Autovermietung besser hätte durchsetzen müssen. Aber ich war es noch nicht gewohnt, als Milliardärin aufzutreten und Forderungen zu stellen. Warum hatte ich nicht ein paar erboste Telefonate geführt, mit meiner schwarzen Kreditkarte herumgewedelt und einen Range Rover verlangt? Verdammt, einen Range Rover gekauft? Wo hatte ich nur meinen Kopf gehabt? Immerhin ging es um Julians Leben.
    »Woher wissen wir, dass sie auf diesem Weg gekommen sind?«, fragte ich unvermittelt. »Sollten da nicht Reifenspuren sein?«
    »Sie können einen anderen Zufahrtsweg genommen haben«, erwiderte Hollander nervös und hielt dabei Ausschau, ob sich etwas regte.
    Wieder betätigte ich den Scheibenwischer. Die Schafe auf dem Feld rechts von mir wirkten unruhig. Würde es ein Gewitter geben? »Wie weit ist es noch?«, fragte ich ungeduldig.
    »Keine Ahnung. Es ist schon Jahre her«, entgegnete er unwirsch. »Vielleicht ein paar hundert Meter. Und dann noch ein Fußmarsch von einem Dreiviertelkilometer durch den Park.«
    »Und niemand wird uns sehen?«
    »Ich weiß nicht, ob sich die Bedingungen seitdem verändert haben. Möglicherweise ein Förster oder so.«
    Schweigend fuhr ich weiter bis zum Ende des Wegs, parkte neben dem Zaun und sprang aus dem Wagen. Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor zwei. »Wo müssen wir hin? Beeilen Sie sich!«, trieb ich Hollander an. Die Regentropfen fielen erst vereinzelt, dann immer dichter auf meinen Mantel. Ich blickte zum wogenden bleigrauen Himmel mit den bedrohlich wirkenden Wolken hinauf und schlug den Kragen hoch. Das verdammte britische Wetter hatte mir gerade noch gefehlt.
    Als ich eine Zaunsteige entdeckte, eilte ich über den glitschigen Pfad darauf zu. Ich hörte Hollander hinter mir keuchen. »Kommen Sie«, drängte ich und streckte die Hand aus, um ihm zu helfen. Schwerfällig quälte er sich die Sprossen hinauf und entging nur knapp einem Absturz. Ein Windstoß wehte Regentropfen gegen meine Wange. »Wir müssen uns beeilen.«
    Wir liefen den Fußweg entlang, der hinter der Zaunsteige begann, und folgten dem Hügel bis zu den Bäumen. »Das Seeufer befindet sich auf der anderen Seite«, keuchte Hollander. »Dort liegt auch der Friedhof zwischen Felsvorsprung und Wasser. Man kann ihn wegen des Überhangs nicht sofort sehen.«
    »Fehlt Ihnen etwas?«, fragte ich, um Ruhe bemüht. Er war schon nach einem kurzen Marsch – bergauf und mit einer Geschwindigkeit von viereinhalb Stundenkilometern – außer Atem, während meine Muskeln vor Tatendrang und Adrenalin pulsierten. Die vielen Dauerläufe mit Julian, der tägliche Sport. Ich wollte rennen, wollte fliegen.
    »Alles in Ordnung. Gehen Sie nur voraus. Ich komme nach«, sagte er.
    »Ich kann Sie doch nicht allein …«
    »Kein Problem«, japste er. »Suchen Sie ihn!« Er scheuchte mich mit einer ungeduldigen Handbewegung weg.
    Ich wusste nicht, was mich erwartete, und es kam mir plötzlich sehr unwahrscheinlich vor, dass sie ausgerechnet hier sein sollten. Hollander und ich hatten es nur aus der Tatsache geschlussfolgert, dass Julians Maschine in Manchester gelandet war.
    Und was um alles in der Welt sollten wir tun, wenn wir sie fanden? Vertrau mir, hatte Julian gesagt. Geh nach Hause. Warte auf mich. Sicher würde er wütend auf mich sein. Wenn er überhaupt noch lebte.
    Ich fing an zu rennen. Da mein Regenmantel wild im auffrischenden Wind flatterte, schob ich die Hand in die Tasche, um zu verhindern, dass die Perlen herausrutschten. Der Hang fiel steil ab und endete an einem Vorsprung, an dessen Rand der Weg verlief, der zum mit Gras bewachsenen Seeufer führte.
    Wo ist der Friedhof?, fragte ich mich. Ich konnte nur einen von Bäumen und Wiesen umgebenen See sehen, der unter dem regnerischen Himmel grau und aufgewühlt wirkte. Doch als ich den Fußweg hinunterrannte und mich dem Rand des Vorsprungs näherte, kamen plötzlich etwa vierhundert Meter rechts von mir einige kurze Reihen schlichter marmorner Grabsteine in Sicht. Darum herum verlief ein taillenhoher weißer Zaun.
    Es war niemand da. Ich atmete auf, denn im ersten Moment war ich erleichtert, dass nicht Julians Leiche zusammengesackt vor einem dieser Grabsteine lag. Dann jedoch meldete sich die Angst zurück. Offenbar hatten wir uns geirrt. Sie waren nicht hier. Was sollten wir jetzt tun.
    Ich tastete nach dem BlackBerry in meiner Manteltasche. Ich hatte Julian

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