Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
worden.«
»Ich hätte auch darauf verzichten können.«
»Natürlich. Schlechter Witz.« Ich zögerte. »Tut mir leid, dass ich dir Umstände gemacht habe. Wirklich.«
Sein Ton wurde weich. »So habe ich es nicht gemeint«, sagte er und hielt inne. »Pass auf dich auf.«
War das etwa alles gewesen? Pass auf dich auf?
»Du auch«, erwiderte ich und stieg aus dem Streifenwagen, der die 79. Straße hinunter davonbrauste.
Telefon. Das Telefon läutete. Ich tastete auf dem Nachttisch nach meinem BlackBerry und drückte den grünen Knopf. »Hallo?«
Das Läuten ging weiter. Offenbar der Festnetzanschluss.
Ich wälzte mich aus dem Bett und warf einen Blick auf die Uhr. Halb sieben Uhr morgens. Wer zum Teufel konnte das sein? Ich war noch nicht einmal in der Lage, klar zu denken. Wo war das Telefon? Irgendwo im Wohnzimmer, richtig? Wir benutzten es nur selten.
Endlich hatte ich es gefunden. »Hallo?«, nuschelte ich.
»Spreche ich mit Katherine Wilson?«
»Am Apparat.«
»Ich bin Amy Martinez von der New York Post . Soweit mir bekannt ist, waren Sie und Julian Laurence von Southfield Advisors letzte Nacht im Central Park in einen Zwischenfall verwickelt?«
Der Hörer rutschte mir aus der Hand und landete krachend auf dem Boden.
Meine Finger flogen über die Tastatur: »Julian, die Post hat gerade angerufen. Was soll ich sagen? Melde Dich. Ich habe Deine Nummer nicht. Kate. PS: Tut mir schrecklich leid.«
Eine Minute später läutete das Telefon. »Kate?«
»Julian, entschuldige vielmals.«
»Genug von diesem Unsinn. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
»Du hattest recht. Wir hätten ihn liegenlassen sollen. Ich bin ja so dumm. Ich habe gar nicht daran gedacht, welche Folgen es für dich haben könnte.«
Ich hörte ihn aufseufzen. »Kate, das ist nicht weiter wichtig. Mit ein paar Presseleuten komme ich schon zurecht.«
»Aber du hasst doch öffentliches Aufsehen.«
Schweigen. »Was bringt dich darauf?«
»Über dich wird nie in der Zeitung berichtet. Du gibst keine Interviews. Und jetzt ruft mich jemand von Seite sechs an und zieht weiß Gott welche Schlussfolgerungen …«
»Beruhige dich. Was hast du denen geantwortet?«
»Äh … kein Kommentar«, murmelte ich. »Das soll man doch sagen, oder? Ich meine, ich habe noch nie mit einer Reporterin gesprochen …«
»Wie hieß sie denn?«
»Amy irgendwas. Menendez?«
»Martinez. Ich rufe sie gleich an und regle die Sache. Leg dich wieder schlafen.«
» Schlafen? Ich muss zur Arbeit. Ach, Mist. Was soll ich denen nur erzählen?«
»Die Wahrheit. Falls sie fragen.«
»Und die wäre?«
Er lachte auf. »Dass wir im Park joggen waren und irgendein Mistkerl dich überfallen wollte.«
»Ja, klar. Dann werden sie sicher Ruhe geben.«
»Pass auf, mir macht es nichts aus. Sag, was dir gefällt, damit sie den Mund halten. Um Miss Martinez kümmere ich mich. Wir kennen uns.«
Ich ließ die Schultern hängen. »Einverstanden. Gern.«
»Und entschuldige dich nicht wieder«, warnte er mich, als ich gerade den Mund öffnete, um genau das zu tun.
»Gut«, entgegnete ich. »Okay. Danke.«
»Ausgezeichnet. Wie fühlst du dich?«, fragte er.
»Angeschlagen. Und du?«
»Blendend. Und jetzt schluck ein paar Aspirin und geh zur Arbeit. Ich erledige den Rest.«
»In Ordnung.« Ich hielt inne. »Danke, Julian. Das meine ich ernst.«
»Auf Wiedersehen, Kate. Ich rufe dich später an.«
Ich legte auf und starrte auf das Telefon. Aspirin? Wer zum Teufel nahm heutzutage noch Aspirin?
6
B is zur Mittagspause hatte es sich herumgesprochen.
Charlie fing mich in einem der unbenutzten Konferenzräume im hintersten Winkel der Abteilung Kapitalmärkte ab. Ich hatte kein Licht gemacht, in der Hoffnung, dass mich niemand dort bemerken würde.
»Altes Mädchen, was ist da los, verdammt?«, stieß er ungläubig hervor. »Überall im Internet wird über dich berichtet.«
»O Gott! Wirklich?«
»Julian Laurence hat tatsächlich für dich einen Typen plattgemacht?«
»Es war alles nur ein gewaltiges Missverständnis«, erwiderte ich ausweichend.
»Ein tolles Missverständnis. Man kann es bei Gawker nachlesen, altes Mädchen.«
» Gawker . Das soll wohl ein Scherz sein.«
»Es ist so ernst wie ein gottverdammter Herzinfarkt. Mit Links zu Smoking Gun.«
»Was ist das?«
Er zog meinen Laptop zu sich heran und tippte eine neue URL ein. »Auf dieser Webseite werden allgemein zugängliche Dokumente veröffentlicht. Scheidungsanträge, Polizeiberichte und
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