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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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Kaffee hinunter.
    »Nimm bloß keine Überdosis«, warnte ich. »Und wenn doch, verklag mich anschließend nicht.«
    »Ja, schon gut, altes Mädchen. Na, bereits einen Blick in die Post geworfen?«
    »Noch nicht.«
    »Los, altes Mädchen, logg dich ein.«
    Genau davor hatte ich mich den ganzen Vormittag gedrückt und versucht mir einzureden, dass der Artikel nicht existierte, solange ich ihn nur nicht las. »Meinetwegen«, brummte ich, klickte in der Liste meiner Lesezeichen die Post an und blätterte zu Seite sechs.
HELD DER HEDGEFONDS. Die Topmanager in New Yorks Finanzwelt genießen nicht unbedingt den Ruf, Kavaliere zu sein. Und dennoch hat Julian Laurence, Häuptling von Southfield Advisors, dieses Klischee am Mittwochabend Lügen gestraft und eine Dame in Bedrängnis ritterlich vor Schaden bewahrt. Einem bei The Smoking Gun veröffentlichten Polizeibericht zufolge kam der attraktive Finanzmakler, der in Insiderkreisen die Liste der begehrtesten Junggesellen anführt, der fünfundzwanzigjährigen Investmentbankerin Kate Wilson zu Hilfe, als diese beim Joggen im Central Park überfallen wurde. Der in Großbritannien geborene Laurence hielt den nicht namentlich benannten Täter bis zum Eintreffen der Polizei fest und erschien am nächsten Morgen wieder im Büro, um seinen zwanzig Milliarden Dollar schweren Fonds zu leiten.
    Ich atmete erleichtert auf. »Oh, so schlimm ist es ja gar nicht.«
    »Hab ich’s nicht gleich gesagt. Dein Name in Fettdruck. Glückwunsch.«
    Ich reichte ihm die weiße Papiertüte über die Trennwand. »Hier. Iss einen Bagel. Gut gegen Kater.«
    »Danke, altes Mädchen. Hm, Zwiebeln. Du bist spitze.« Er verstummte und knabberte vorsichtig an dem Bagel. »Hast du das Gerücht schon gehört?«
    »Welches?«
    »Heute in aller Früh fand eine Sitzung des Lenkungsausschusses statt. Die Wertpapierhändler reden davon, dass wir für jemanden einen Riesenposten abstoßen müssen.«
    »Wie groß?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls groß genug, um an einem Freitagmorgen alle zusammenzutrommeln.« Wieder schloss er die Augen und wandte das Gesicht zur Decke. »Hoffentlich platzt die Bombe erst, wenn wir schon über alle Berge sind. Ich brauche meinen letzten Gehaltsscheck für die dämlichen Studiengebühren.«
    »Worum geht es?«, erkundigte ich mich.
    »Wer weiß? Vermutlich ein Derivat, mit dem etwas schiefgelaufen ist.« Er trommelte mit den Fingerspitzen auf die Armlehne. »Außerdem ist mir zu Ohren gekommen«, fuhr er zögernd fort, »dass sie sich alle wegen des Handelsvolumens von Southfield in die Hose machen.«
    »Southfield?« Ich runzelte die Stirn. »Wo hast du denn das her?«
    »Von ein paar Wertpapierhändlern gestern Abend. Hat dein Laurence vielleicht etwas in dieser Richtung erwähnt?«
    »Warum glauben alle, dass Julian mir seine Geschäftsgeheimnisse anvertraut?«, fragte ich ärgerlich.
    »Schon gut, altes Mädchen. Kapiert. Beruhige dich. Im Bett wird nicht übers Geschäft gesprochen.«
    »Bis jetzt war noch kein Bett im Spiel, Charlie. Es sind nicht alle Menschen so verlottert wie du.«
    »Uff. Das hat gesessen.« Sein Ton war anerkennend.
    Mit geschürzten Lippen musterte ich meinen Computerbildschirm. »Ist das Handelsvolumen jetzt gestiegen oder gesunken?«
    »Gestiegen, altes Mädchen, in schwindelerregende Höhen.« Er kicherte. »Ein toller Zufall, was?«
    »Fahr zur Hölle, Charlie.«
    »Aber da bin ich ja schon, Kate.«
    Ich gönnte ihm einen Moment Ruhe, bevor ich weitersprach. »Also, ich hätte da noch eine Frage an dich.«
    »Noch eine? Mist, Kate. Kommst du heute nicht mal alleine klar? Ich habe einen Scheißkater.«
    »Ich möchte nur wissen, warum du Julian gestern Abend diese E-Mail geschickt hast.«
    Er neigte den Kopf zur Seite und betrachtete mich mit einem diabolischen Grinsen. »Weil ich deinen schmachtenden Gesichtsausdruck nicht mehr ausgehalten habe. Wie ich schon sagte, altes Mädchen, du solltest dir ein paar Eier umschnallen.«
    Amiens
    Jemand war im Zimmer, ein verhaltenes Rascheln, als würde sich die Person bemühen, besonders leise zu sein. Ich schlug die Augen auf. »Julian? Captain Ashford?«
    »Verzeihung. Ich wollte Sie nicht stören. Ich habe nur ein paar Kohlen nachgelegt. Es ist scheußlich kalt geworden. Wie geht es Ihnen?«
    Ich setzte mich auf und ließ die Decke bis zum Schoß hinunterrutschen. Da ich nicht fest hatte schlafen wollen, hatte ich die Lampe angelassen. In ihrem Dämmerschein sah das Zimmer abgewohnt und trist aus – die

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