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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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Kopf. »Du hast mich in deinen Bann geschlagen.«
    Mein Blick wanderte nach unten und blieb an dem gestärkten weißen Hemdkragen hängen, der aus dem V-Ausschnitt seines Pullovers ragte. Der oberste Knopf stand offen. »Äh …«, sagte ich mit schwacher Stimme, »ich gehe mich am besten umziehen. Kannst du wie alle anderen in der Vorhalle warten?«
    »Ich versuche es.«
    »Und wehe, wenn du der Empfangsdame schöne Augen machst.«
    »Ich habe niemandem schöne Augen gemacht«, protestierte er.
    Während ich in der Umkleide Yogahose und Kapuzensweatshirt anzog, dachte ich über diesen Satz nach. »Ich glaube, ich habe deinen schlimmsten Charakterfehler entdeckt«, verkündete ich, als wir ein paar Minuten später zum Aufzug gingen.
    »Und der wäre?«
    »Du bist selbstzufrieden«, erwiderte ich. »Du weißt genau, wie du auf Frauen wirkst, und hast keine Skrupel, das auszunützen.«
    »Schätzt du mich so ein?«
    »O ja. Und ich habe recht, gib es zu. Bei mir hast du es auch so gemacht. Du wusstest von vornherein, dass ich dir nicht würde widerstehen können.«
    »Es ist nicht so, wie du denkst. Außerdem ist es wohl kaum ein schwerer Charakterfehler.« Ungeduldig schaute er auf die Uhr. »Lass uns die Treppe nehmen. Es sind ja nur drei Etagen.«
    Wir suchten das Treppenhaus und stiegen hinunter ins Erdgeschoss. »Warum dann?«, fragte ich, verärgert, weil er es zugegeben hatte. »Und woher wusstest du, dass du bei mir landen würdest?«
    Er schob die Tür zur Vorhalle auf und ließ mir den Vortritt. »Das ist schwierig zu erklären. Ich will es einmal so ausdrücken: Als ich dich in diesem Konferenzraum sah, war es, als würde ich dich bereits kennen. Und ich hatte den Eindruck, dass es dir genauso geht.«
    »Tatsächlich?« Stirnrunzelnd versuchte ich mich an Einzelheiten unserer Begegnung zu erinnern.
    »Nun, vielleicht habe ich mich ja geirrt.« Schulterzuckend folgte er mir durch die Drehtür auf den belebten, von Schlaglöchern durchsetzten Gehweg der 86. Straße hinaus. »Es kam mir nur so selbstverständlich vor, dass du die gleiche Anziehungskraft empfinden würdest. Alles schien zusammenzupassen.«
    »So läuft es also bei Typen wie dir? Ihr fühlt euch angezogen, und das Mädchen macht dann mit?«
    »Du drehst mir die Worte im Mund herum. Wo willst du eigentlich hin?« Wir standen an der Ecke 86. Straße und Lexington Avenue und blickten nach Osten in Richtung Park.
    »Ich denke, ich sollte erst einmal nach Hause gehen und mich umziehen. Was meinst du?«
    Also wandten wir uns nach links und gingen die Lexington Avenue entlang. Nach einem regnerischen Intermezzo am gestrigen Tag war das schöne Wetter zurückgekehrt. Auf den Gehwegen wimmelte es von Passanten und Kinderwägen, und zwischen den Wattebauschwolken lugte immer wieder ein greller Sonnenstrahl hervor.
    »Offenbar hältst du mich für eine Art … Playboy nennt man das wohl«, kehrte Julian zum Thema zurück.
    »Das habe ich nie behauptet.«
    »Du hast mir vorgeworfen, dass ich Kontakte mit Models und Schauspielerinnen pflege.«
    »Ich habe dir nie etwas vorgeworfen. Ich dachte nur, sie wären eben eher dein Stil. Weil du ein attraktiver, erfolgreicher Mann bist, meine ich.«
    »Was ich an den modernen Zeiten niemals verstehen werde«, entgegnete er nachdenklich, »ist diese Versessenheit auf … was ist das richtige Wort … Prominente vermutlich. Natürlich hat jede Ära ihre Lieblingsthemen. Nur, dass es momentan so ist, als wäre die Eitelkeit von der Sünde zur Tugend befördert worden.«
    »Aber wir sind doch alle eitel«, wandte ich ein. »Keiner ist dagegen gefeit, oder?«
    Schweigend ging er ein, zwei Häuserblocks weiter, den Blick auf den Gehweg gerichtet und ein paar Meter voraus. »Kate«, sagte er schließlich, »mir ist klar, dass es ein Klischee und außerdem ein zweischneidiges Kompliment ist, die innere Schönheit eines Menschen zu loben. Ich möchte auf keinen Fall dein Aussehen schlechtreden, das mir offen gestanden den Atem raubt. Doch ich kann mir nicht vorstellen, so für eine Frau zu empfinden, die einfach nur ein hübsches Gesicht hat. Es gehört auch alles andere dazu … eben, dass du einfach Kate bist.«
    Als ich etwas erwidern wollte, schnürte es mir die Kehle zu wie mit einer Schraubzwinge. Wir blieben stehen, und er zog mich in eine kleine Nische neben einer Obstauslage.
    »Du überraschst mich immer wieder aufs Neue, Kate. Ständig ein Aspekt, den ich nie erwartet hätte. Das Tanzen zum Beispiel.«
    »Jetzt

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