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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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sagen zu müssen. »Ein wunderschöner Abend«, begann ich, doch meine Worte gingen im Quietschen von Taxireifen unter, als der Wagen auf dem Mittelstreifen wendete und schlitternd neben uns am Bordstein zum Stehen kam.
    Ein Mann sprang heraus und lief in unsere Richtung. Julian zerrte an meiner Hand und zog mich weiter.
    »Ashford!«, war eine Stimme hinter uns zu hören. »Ashford! O mein Gott!«
    »Komm«, murmelte Julian und zog wieder an meiner Hand.
    »Ashford!«
    Hinter uns erklangen rasche Schritte. »Ashford! Bleib stehen!«
    »Meint der dich?«, zischte ich. Im nächsten Moment blieb mein rechter Absatz am Gitter eines U-Bahn-Schachts hängen, so dass ich ins Straucheln geriet. Julians Arm stützte mich gerade noch rechtzeitig.
    Inzwischen hatte der Mann uns eingeholt. »Ashford! Nie hätte ich gedacht …«
    »Tut mir leid«, entgegnete Julian mit einem makellosen amerikanischen Akzent. »Ich glaube, Sie haben den Falschen erwischt.«
    Mir blieb der Mund offen stehen.
    Der Mann war Mitte dreißig und hatte ein Mondgesicht und dunkles Haar. Er klang wie ein Brite. Allerdings war ich nicht sicher, denn er war vom Rennen außer Atem.
    »Verzeihung, alter Junge.« Er blickte zwischen uns beiden hin und her und schaute dann wieder Julian an. »Sie sehen genauso aus wie ein Bursche, den ich einmal kannte. Damals im guten alten England. Ich hätte schwören können …«
    »Tut mir leid, Kumpel«, wiederholte Julian. »Eine Verwechslung.«
    »Sind Sie sicher, alter Junge?«, beharrte der Mann und musterte Julian noch einmal. »Ich heiße Paulson, Andrew Paulson.« Sein Ton war flehend.
    Julian zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Da läutet bei mir nichts. Bedaure.«
    »Dann entschuldigen Sie vielmals. Guten … guten Abend.« Der Mann trollte sich so niedergeschlagen, dass ich ihm am liebsten nachgelaufen wäre. Aber Julian, der meine Hand nicht losgelassen hatte, wandte sich um und schleppte mich mehr oder weniger mit.
    »Äh … Moment mal«, sagte ich. »Das war jetzt echt komisch. Willst du mir nicht erzählen, was das gerade sollte?«
    »Offenbar hat mich irgendein Idiot mit einem verschollenen Freund verwechselt.«
    »Und warum der Akzent?«
    »Er war Brite. Ich dachte, wenn ich wie ein Amerikaner klinge, gibt er vielleicht schneller auf.«
    »Trotzdem irgendwie seltsam. Ich meine, dass er Brite war wie du.«
    »New York ist voll von uns.«
    Danach herrschte Schweigen. Nachdem der Parkwächter das Auto geholt hatte, bugsierte Julian mich geistesabwesend hinein, als hätte er vergessen, wer ich war und was ich hier wollte.
    »Also«, sagte ich und räusperte mich, »wohin?«
    Er rieb sich die Stirn. »Jetzt habe ich den Abend verdorben, stimmt’s?«
    »Noch nicht ganz. Aber es ist ja erst acht. Du hast noch genug Zeit, ihn endgültig kaputt zu machen.«
    Er klopfte mit den Fingern aufs Lenkrad und bog an der Park Avenue rechts ab. »Vielleicht sollte ich dich besser nach Hause bringen.« Dass er traurig, nicht verärgert klang, gab mir Hoffnung.
    »Warte. Moment mal. Was ist da gerade passiert, Julian? Es ist wieder genauso wie an Weihnachten. Und ich schwöre, dass ich dich diesmal nicht damit davonkommen lasse. Was ist los?«
    »Herrgott, Kate!«, brach es aus ihm heraus. Er schlug mit der Hand aufs Lenkrad. »Du weißt überhaupt nichts über mich. Ich hätte nicht … Ich bin ein egoistischer Mistkerl, richtig?«
    »Schluss damit! Was hat das alles zu bedeuten? Julian, hörst du mir überhaupt zu? Fahr mal rechts ran.«
    »Nein. Ich bringe dich nach Hause.«
    »Das wirst du nicht tun. Ich bleibe hier sitzen.«
    »Ich will aber nicht, dass du bleibst.«
    »O doch. Du brauchst mich, Julian«, fügte ich in sanfterem Ton hinzu. »Du hast es versprochen. Neulich am Abend hast du geschworen, dass ich dir etwas bedeute. Also beweise es. Lass mich jetzt nicht hängen.«
    Das drang zu ihm durch. Wortlos fuhr er auf der Park Avenue nach Süden. Auch ich schwieg, weil ich den Waffenstillstand nicht stören und ihm Zeit geben wollte, in Ruhe nachzudenken und sich aus der Lage zu befreien, in die er sich hineinmanövriert hatte.
    Ich drehte mich zu Julian um. »Vergiss das Ausgehen. Wir fahren jetzt zu dir«, sagte ich. »Und dann reden wir.«
    Julian lenkte den Wagen zurück ins Parkhaus, nahm meine Hand und führte mich zur Haustür. Bis auf ein Schimmern irgendwo im ersten Stock waren die Fenster dunkel. Er ließ mir den Vortritt, schloss die Tür hinter uns und tippte ein paar Zahlen in

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