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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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runterkommen mussten. Sie hätten einen Praktikanten schicken sollen.«
    Er räusperte sich. »Folgen Sie mir, Kate.« Nicht Katie.
    Ich spürte einen kleinen Stich, und in meinem Kopf blitzte eine Warnleuchte auf.
    Mit einem Besucherausweis öffnete er die Schranke für mich, und ich folgte ihm zu den Aufzügen. Banner sprach kein Wort, sondern betätigte nur den Aufwärts-Knopf und verharrte dann wartend neben mir. Die Türen öffneten sich, und wir stiegen gemeinsam mit drei oder vier anderen Leuten ein. Banner drückte auf die Achtzehn.
    Die Abteilung Kapitalmärkte war im einundzwanzigsten Stock.
    Ich schwieg, während meine Handflächen feucht wurden und mein Herz in der Brust wie wild klopfte. Hinter meinen Augen baute sich ein Druckgefühl auf . Lass dir keine Schwäche anmerken.
    Wer an der Wall Street gefeuert wurde, wurde von einem Mitarbeiter in die Personalabteilung begleitet, auch wenn die Kündigung nur das Ergebnis einer Personalkürzung war und den Entlassenen keine Schuld traf. Nachdem einem in dürren Worten die Höhe der Abfindung verkündet worden war, musste man ein Dokument unterschreiben, wodurch man dafür auf sämtliche Rechtsansprüche gegen das Unternehmen verzichtete. Die Höhe des goldenen Handschlags belief sich normalerweise auf ein Wochengehalt für jedes Jahr Firmenzugehörigkeit plus fünfzig Prozent des Bargeldbonus vom letzten Jahr. Die Zahlung erfolgte in einem Stück in Form einer Überweisung. Anschließend musste man alle elektronischen Geräte abgeben, die dem Unternehmen gehörten, und wurde zu guter Letzt von einem Wachmann aus dem Gebäude geleitet. Man durfte nicht mehr zurück an seinen Schreibtisch oder sich von seinen Kollegen verabschieden.
    Ein Gang nach Canossa also.
    Ich rechnete nicht damit, dass Banner bleiben würde. Wie ich es gehört hatte, verdrückten sich die Abteilungsleiter für gewöhnlich und überließen das unschöne Blutbad einem Mitarbeiter der Personalabteilung. Doch er trat hinter mir ein und winkte mich zu einem Stuhl an einem langen, schmalen Tisch, auf dessen einer Seite bereits Alicia Boxer und zwei Vorstandsmitglieder saßen. Am Kopfende des Tisches thronte eine Frau in einem kirschroten Kostüm. Sie räusperte sich. »Vermutlich wissen Sie, warum man Sie heute hierhergebeten hat«, begann sie.
    »Nun«, erwiderte ich, »ich nehme an, ich bin entlassen. Richtig?«
    Sie sah mich strafend an. »Wir kündigen Ihnen nicht ohne Grund, Ms. Wilson. Dem Unternehmen sind im Lauf des Wochenendes unwiderlegbare Beweise dafür zugegangen, dass Sie einem gut bekannten Mitbewerber in der Finanzbranche auf ungehörige, ja, vielleicht sogar illegale Weise Informationen zugespielt haben.«
    Ich starrte sie entgeistert an. »Wovon reden Sie?«
    Ihr Blick wanderte zu den Papieren, die vor ihr lagen. »Nachdem der Lenkungsausschuss den Zwischenfall in einer Sitzung erörtert hat, wurde beschlossen, keine juristischen Schritte einzuleiten. Dafür erwarten wir, dass Sie sofort das Gebäude verlassen, uns sämtliche elektronischen Geräte und Kreditkarten aushändigen, die Sterling Bates Ihnen zur Verfügung gestellt hat, und auf rechtliche und finanzielle Ansprüche gegen das Unternehmen verzichten.« Sie schaute auf. »Noch irgendwelche Fragen?«
    »Ja, und zwar etwa eine Million«, entgegnete ich. »Ich verstehe wirklich nicht, was Sie von mir wollen. Noch nie im Leben habe ich wichtige Informationen weitergegeben.« Hilfesuchend sah ich Banner an. »Das wissen Sie doch.«
    Er rutschte auf seinem Stuhl herum und betrachtete die Tischplatte. Ich warf Alicia einen Blick zu. Sie verzog den Mund zwar zu einem entschuldigenden Lächeln, doch ihre blauen Augen funkelten triumphierend.
    »Oh«, sagte ich, denn mir war plötzlich ein Licht aufgegangen. »Mein Laptop. Am Freitagvormittag haben Sie sich an meinem Laptop zu schaffen gemacht. Was genau haben Sie angestellt? Mir etwas untergeschoben?«
    »Ich bin nicht befugt, Ihnen Einzelheiten unserer Untersuchung mitzuteilen«, erwiderte sie spitz. »Es ist wirklich eine sehr unschöne Sache, Kate. Wir sind alle sehr enttäuscht von Ihnen.«
    Ich wandte mich wieder an die Frau von der Personalabteilung. »Wo sind die Beweise?«, erkundigte ich mich. »Werde ich denn gar nicht angehört? Kann ich mich nicht verteidigen?«
    »Es steht Ihnen frei, ein Beschwerdeschreiben an diese Abteilung zu richten«, antwortete sie. »Sollten Sie allerdings darauf bestehen, den Rechtsweg zu beschreiten, werden wir mit allen Mitteln

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