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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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und unsere Gehirne waren noch zu sehr damit beschäftigt, sie zu verarbeiten, um sich etwas Neues einfallen zu lassen. Erst als wir den dunkelgrünen Baldachin über der Eingangstür erreichten, ergriff ich das Wort.
    »Also«, meinte ich bemüht lässig, »soll ich morgen vor dem Haus auf dich warten?«
    »Ich muss morgen in aller Früh nach Boston fliegen«, erwiderte er schmunzelnd.
    »O nein, nicht schon wieder Boston. Dann ist das vermutlich wirklich der Abschied.« Ich blieb in der Dunkelheit außerhalb des Lichtkegels stehen, der durch die Eingangstür fiel, und drehte mich zu Julian um.
    Unvermittelt beugte er sich vor und küsste mich leidenschaftlich. »Das ist nicht der Abschied«, entgegnete er mit Nachdruck.
    »Du kannst es mir nicht zum Vorwurf machen. Schließlich hast du mir heute Abend einen ziemlichen Schreck eingejagt.«
    »Entschuldige«, sagte er mit geschlossenen Augen und lehnte die Stirn an meine. »Verzeih mir, Liebling. Ich mache alles wieder gut.«
    »Hoffentlich nicht wieder mit einem Privatjet. Blumen wären diesmal völlig in Ordnung.«
    »Nein, ich habe etwas anderes für dich.« Er griff in die Jackentasche und reichte mir einen kleinen zusammengefalteten Umschlag.
    »Was ist das?«, fragte ich und drehte ihn herum.
    »Aber flipp jetzt nicht aus, wie ihr Amerikaner sagt«, warnte er mich. »Ich will dir damit keine Angst machen.«
    Ich betrachtete ihn einen Moment. Als ich den Umschlag aufriss, fielen ein Schlüsselbund und ein Stück Papier heraus.
    »Zum Haus«, erklärte er.
    »Wow …«, begann ich.
    »Nur für den Notfall«, fuhr er rasch fort. »Falls ich im Büro oder nicht in der Stadt bin und du etwas brauchst.«
    »Oh.« Ich versuchte mir meine aufgewühlten Gefühle nicht anmerken zu lassen.
    »Der da ist für den Türknauf, die anderen beiden für die Riegel. Der Code für die Alarmanlage steht auf dem Zettel. Natürlich brauchst du nicht zuerst zu fragen. Leih dir ein Buch aus, wenn du möchtest.«
    »Oh«, wiederholte ich und riskierte einen Blick in sein Gesicht. Seine Augen strahlten mich groß und offen an. »Danke, Julian. Ich bin wirklich gerührt. Du kannst mir vertrauen. Ich verspreche, deine Privatsphäre nicht zu stören.«
    Noch während ich ihn betrachtete, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Lachend strich er mir mit der Hand über die Wange. »Mein Liebling, verstehst du denn nicht? Genau das sollst du nämlich tun.«

10
    Ü ber Nacht war Bewölkung aufgezogen, die den Himmel verhüllte wie eine Decke und die milde Luft des gestrigen Tages in eine feuchtwarme Suppe, einen Vorgeschmack auf den Sommer, verwandelt hatte. Während ich durch die Schwüle von der U-Bahn-Station am Broadway zum Sterling-Bates-Gebäude in der Wall Street trottete, suchte ich in meinem BlackBerry nach Julians letzter E-Mail.
    »Lande gleich. Boston steht in voller Blüte. Nehme Dich das nächste Mal mit.«
    Rasch tippte ich eine Antwort. »Wie skandalös. Hoffentlich getrennte Zimmer.«
    Dann trat ich durch die Drehtür ein und zog meinen Firmenausweis durchs Lesegerät, um das Drehkreuz in der Vorhalle zu öffnen.
    Es rührte sich nicht, so dass ich mir fast die Rippen brach.
    Ungeduldig versuchte ich es ein zweites Mal. Mit demselben Ergebnis.
    Seufzend wandte ich mich an den Wachmann. »Entschuldigen Sie«, sagte ich, »aber offenbar ist etwas mit dem Magnetstreifen meiner Karte nicht in Ordnung.«
    Er nahm die Karte und musterte sie. »Einen Moment«, erwiderte er und griff zum Telefon.
    Ich stand da und klopfte mit dem Fuß. Julian wollte heute Abend zurück sein, und wir waren locker verabredet, um irgendwo einen Happen zu essen – vorausgesetzt, ich kam rechtzeitig aus dem Büro.
    »Ja, Katherine Wilson«, sprach der Wachmann ins Telefon. Er lauschte eine Weile, nickte und legte auf. »Warten Sie hier«, wandte er sich gleichmütig an mich. »Sie werden abgeholt.«
    »Können Sie mich nicht einfach reinlassen«, flehte ich ungeduldig.
    Er zuckte mit den Schultern. »So lauten meine Anweisungen.«
    Seufzend verlagerte ich die Laptoptasche auf die andere Schulter. Minuten vergingen, während ich wie ein begossener Pudel am Empfangstisch stand und auf die Uhr schaute. Mein BlackBerry summte.
    »Vielleicht mit einer Verbindungstür?«
    Ich lächelte das Display an. »Ihr Männer denkt offenbar wirklich nur an Sex.« Senden.
    »Kate?«
    Als ich aufblickte, erkannte ich Paul Banner.
    »Ach herrje!«, rief ich verlegen aus. »Das tut mir aber leid, dass Sie extra

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