Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
sah mich verdattert an. »Was ist los, Schätzchen?«, fragte er. »Krank geworden?«
    »Nein, die haben mich gerade rausgeschmissen.« Die Worte hingen gnadenlos und ungeschönt im Raum.
    Frank blieb der Mund offen stehen. Wie ein Roboter marschierte ich am Empfangstisch vorbei zum Aufzug und drückte auf den Knopf.
    »Ist das Ihr Ernst? Stellenkürzungen an der Wall Street?«
    »So ähnlich.«
    »Das tut mir aber leid. Geht’s einigermaßen?«
    »Ja, danke, Frank.«
    Die Aufzugtür öffnete sich.
    »Keine Sorge«, rief Frank mir nach, als ich einstieg. »Die heuern und feuern dort doch ständig. Das ist ein dauerndes Auf und Ab …«
    Die Aufzugtür schloss sich und sperrte seine Stimme aus.

    »Brooke?«, rief ich, während ich die Tür öffnete. Keine Antwort. Entweder schlief sie, oder sie war nicht da. Ich stellte die Laptoptasche auf den Tisch, schlüpfte aus der Kostümjacke und ging zum Telefon. Dem, das ich fast nie benutzte. Das ich bis jetzt nie wirklich gebraucht hatte.
    Nachdenklich saß ich eine Weile vor dem Apparat. Julians Nummer war zwar in meinem BlackBerry gespeichert, aber ich hatte sie trotzdem auswendig gelernt. Ich griff nach dem Hörer, starrte eine lange Zeit darauf und fragte mich, was ich ihm sagen sollte. Wahrscheinlich war er gerade in einer Sitzung. Sehr gut. Voicemail war einfacher.
    Ich wählte die Nummer. Er hatte eine Standardansage eingeschaltet, keine melodische Stimme also, die mich getröstet hätte. Es piepste. »Hallo, Julian«, begann ich leise. »Ich bin es, Kate. Äh … ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll. Ich bin gerade gefeuert worden. Lange Geschichte. Jetzt bin ich wieder zu Hause. Sie haben mein BlackBerry und alles andere, schicke mir also keine E-Mails mehr. Ruf mich unter dieser Nummer an, wenn du Zeit hast. Danke. Äh … ich hoffe, die Sitzung ist gut gelaufen. Tschüss.« Ich legte auf und stützte den Kopf auf die Tischplatte.
    Was waren noch einmal die Stadien der Trauer? Nicht wahrhaben wollen, Wut, Schicksalsergebenheit … Ich konnte mich nicht erinnern. Vermutlich steckte ich noch in der Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens fest, spürte allerdings auch ein wenig Wut. Dieses Miststück. Dieses kleine Miststück.
    Plötzlich fuhr ich hoch. Wie war Charlies Nummer? Ich überlegte. Irgendwo in meinem Zimmer lag noch das Informationspaket von Sterling Bates, das alle Telefonnummern und E-Mail-Adressen enthielt. Aber wo?
    Ich stand auf und ging in mein Zimmer. Den Großteil meiner Papiere bewahrte ich in Aktenkartons unter dem Bett auf. Sterling Bates hatte sogar einen eigenen Karton. Ich öffnete ihn. Der Anblick des glänzenden blauen Ordners mit dem eleganten Firmenlogo erinnerte mich an den ersten Einführungstag. Ich hatte mich so erwachsen gefühlt – Gehalt, Sozialleistungen, Krankenversicherung und Pensionsplan.
    Ich klappte den Ordner auf und suchte die Kontaktliste. Zuerst überprüfte ich meine eigenen Telefonnummern, also Büro und Mobiltelefon. Sie waren noch dieselben, woraus ich schloss, dass sich bei Charlie vermutlich auch nichts geändert hatte. Also kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, griff zum Telefon und wählte seine Mobilfunknummer.
    »Hallo?«, meldete er sich nach dem ersten Läuten.
    »Hallo, Charlie, ich bin es, Kate.«
    »Scheiße, Kate. Was zum Teufel ist da passiert?«
    »Charlie, kannst du rausgehen? Ich möchte nicht, dass jemand mithört. Ruf mich an, wenn du auf der Straße stehst, okay?«
    »Klar, altes Mädchen.« Das Telefon klickte. Ich beendete die Verbindung. Da es ein schnurloses Telefon war, konnte ich es mit zum Fenster nehmen und nach Norden in Richtung Harlem schauen. Keine Panik, sagte ich mir. Du musst der Sache auf den Grund gehen.
    Eine Minute später klingelte das Telefon. Ich nahm den Anruf an, fast bevor das erste Läuten verklungen war. »Charlie?«
    »Ich bin es, altes Mädchen. Also, was läuft da für ein Mist?«
    »Keine Ahnung, was man dir erzählt hat, aber angefangen hat es damit, dass heute Morgen mein Firmenausweis nicht funktioniert hat und Banner runterkam, um mich abzuholen. Er hat mich in die Personalabteilung gebracht, wo zwei Vorstandsmitglieder und Alicia saßen. Alicia, Charlie. Dann haben sie behauptet, sie hätten Beweise dafür, dass ich Informationen weitergegeben hätte. Insiderinformationen wahrscheinlich. Sie haben mir nämlich nicht verraten, worum genau es geht, und als ich um eine Möglichkeit bat, mich zu verteidigen, hat man mir mehr oder weniger unverhohlen

Weitere Kostenlose Bücher