Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
eine Weile betrachtet hatte, nahm er mir das Glas ab und stellte es zusammen mit seinem auf den Tisch. Dann legte er mir die Hände auf die Hüften und beugte sich zu meinem Ohr vor. »Sag mir, was ich tun muss, um dich von meinen ehrlichen Absichten zu überzeugen?«
Ich spürte, wie sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitete. »Nun, wir könnten mit einer ganzen Nacht wildem Sex anfangen.«
Sein Lachen kitzelte mich am Hals. »Kate, Kate, du bringst mich um.«
»Warum nicht?«, beharrte ich. »Traust du mir nicht? Oder ist es etwas Moralisches? Kein Sex vor der Ehe?« Das Wort war mir entwischt, bevor ich es zurückhalten konnte.
Er musterte mich lange. Seine grünen Augen schimmerten sanft, und ich spürte, wie jede einzelne Zelle meiner erhitzten Haut sich an meinen Kleidern rieb. »Als ich dich in dem Konferenzraum sah«, sagte er schließlich mit sanfter, verführerischer Stimme, »konnte ich nur eines denken: Hier ist sie! Endlich habe ich sie gefunden. Ich wollte dir richtig den Hof machen, Kate. Dich heiraten. Vor lauter Glückseligkeit, dir begegnet zu sein, habe ich für einen Moment vergessen, dass ich eine Laune der Natur bin. Dass ich dich zwingen würde, all das mitzutragen, wenn ich dich bitten würde, bei mir zu bleiben. Und wer weiß, was mich noch erwartet? Das konnte ich nicht von dir verlangen.«
»Und deshalb hast du mich verstoßen.« Das Herz in meiner Brust pochte, und ich spürte, wie es voller Vorfreude einem unbekannten Ziel entgegengaloppierte. Ich streckte die Hand nach seinem schönen Gesicht aus, auf dem sich tiefe Sehnsucht und mühevoll gezügelte Leidenschaft zeigten. Nachdem ich ihn eine Weile betrachtet hatte, senkte ich die Lider, um seine warme, vertraute Haut unter meinen Handflächen besser fühlen zu können. »Und warum hast du es dir anders überlegt?«
Er antwortete, ohne zu zögern, und in einem harten, schneidenden Ton. »Als ich Zeuge wurde, wie der Mann im Park dich überfallen hat. Noch nie habe ich so empfunden. Nicht während der schrecklichsten Momente des Kriegs.«
Meine Hände glitten seinen Hals hinunter. Ich lockerte seinen Krawattenknoten und zog ihn auf.
Er schloss die Augen. »Ich bin der größte Egoist auf Erden, weil ich will, dass du bleibst.«
»Nein, bist du nicht.« Vorsichtig öffnete ich den obersten Knopf seines Hemds und dann den zweiten. »Du bist einsam.« Als ich mit den Lippen das Grübchen an seinem Hals berührte, spürte ich, wie er erbebte. So ein starker, selbstbewusster Mann, und ich konnte ihn dennoch zum Zittern bringen. »Du brauchst es. Du brauchst mich.«
»Ich habe nicht mehr die Kraft, das Richtige zu tun. Ich weiß nicht einmal mehr, was das Richtige ist.«
»Das hier ist das Richtige.« Ich fuhr mit der Zunge über seine Haut.
»Es kann nicht richtig sein.«
»Doch, in meinem Jahrhundert. Dem Jahrhundert, in dem du jetzt lebst.«
»Du solltest noch einmal gründlich darüber nachdenken.«
»Das brauche ich nicht.« Ich liebkoste ihn weiter und versuchte dabei, klar im Kopf zu bleiben und genau die passenden Worte zu finden, die ihn überzeugen würden. »Über solche Dinge denkt man nicht nach. Wer liest schon Zeile für Zeile die gesamte Broschüre, bevor er etwas kauft?« Er erschauderte unter meinen Lippen. »Du bist, wer du bist. Es ist dein Wesen, das für mich eine Rolle spielt. Dein Inneres. Der Mann, den ich anbete. Der Rest sind nur Details.«
»Details wie dies, dass ich vor über hundert Jahren geboren wurde? Dass ich Geheimnisse habe und meine engsten Freunde belüge? Was, wenn es wieder passiert, und zwar ohne Vorwarnung? Vergiss nicht, wie es dein Leben verkomplizieren wird, Kate.«
Ich wich zurück und musterte sein Gesicht. »Es war von Anfang an klar, dass es mein Leben verkomplizieren würde, Julian.«
»Erinnere mich nicht daran«, entgegnete er bedrückt. »Ich hätte es dir früher sagen und mich von dir fernhalten sollen, um dir nicht weh zu tun.«
»Unmöglich, denn ich habe vom ersten Moment an dir gehört. Und du mir. Es war bereits zu spät.«
»Und was ist in zehn oder zwanzig Jahren, wenn du es satthast, meine Geheimnisse zu hüten?«
Ich schob den Einwand ungeduldig beiseite. »Ich würde deine Vergangenheit immer nur als Geschenk betrachten, Julian, denn sie hat mich zu dir geführt. Sie macht dich unverwechselbar.«
»Jemand könnte es herausfinden.«
»Damit kommen wir klar.«
»Kate, es ist eine schwere Last …«
»Ich werde nicht zulassen, dass du sie allein
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