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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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glauben.«
    Die Wärme seiner Wange übertrug sich auf meine und verband uns miteinander. Und plötzlich glaubte ich es. Ich verstand alles. Das Rätsel hatte sich gelöst und in die felsenfeste und bis ins Mark gehende Gewissheit verwandelt, dass ich Julian Ashfords entwurzelter Seele in dieser modernen Welt ein Zuhause geben musste.
    Ich legte ihm die Hand auf die andere Wange, so dass er den Kopf nicht abwenden konnte. »Also, wie findest du es?«, fragte ich.
    »Was?«
    »Das moderne Leben. Sex, Drogen und Rock and Roll. Technologie.« Ich hielt inne. »Karrierefrauen.«
    »Nun, es ist nicht so, als ob das alles deine Erfindung wäre, Liebling. Als ich ein Junge war, hatte ich den Eindruck, dass jede Woche irgendeine neue Maschine oder Entdeckung vorgestellt wurde. Es war eine faszinierende Zeit. Ich habe Zeitschriften und Bücher gelesen. H. G. Wells und so weiter. Und die Musik!« Er kicherte. »Meine Eltern waren entsetzt. Ragtime. Die neuen Tänze.«
    Ich drehte mich zu ihm um. »O nein! Sag jetzt nicht, du hättest den Turkey Trot getanzt!«
    Er verdrehte die Augen zur Decke.
    »Das gibt’s doch nicht. Wirklich? Das ist ja zum Kaputtlachen!« Ich lehnte mich zurück und lachte von ganzem Herzen. »Den Turkey Trot! Machst du es mir vor?«
    »Auf gar keinen Fall.« Doch seine Mundwinkel zuckten.
    Nach einer Weile verebbte mein Gelächter, und ich sah ihn lächelnd an. »Aber ihr wart damals nicht so freizügig wie wir heute?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Insbesondere die Mädchen vermutlich. Die aus deinen Kreisen.« Ich griff nach dem Weinglas und hob es an die Lippen. »Heute gibt es keine errötenden Jungfrauen mehr.«
    »Nein, nicht sehr viele.«
    »Stört dich das?«
    Er nahm sich Zeit, um sich seine Worte zurechtzulegen. »Kate, ich kann es dir nicht zum Vorwurf machen, dass du einer anderen Welt angehörst. Meine war auch nicht vollkommen. Wahrscheinlich waren Menschen noch nie sehr gut darin, diese Dinge zu regeln.« Er rieb sich die Schläfe. »Ich bin eifersüchtig«, gab er zu, »aber ich werde mich um eine moderne Einstellung bemühen.«
    »Und du? Hast du … War da jemand?«
    Er wusste, was ich meinte. »Ja. Eine. Während des Kriegs.«
    »Und seitdem nicht mehr? Obwohl sich dir überall willige Frauen zu Füßen werfen?«
    »Seitdem nicht mehr.«
    »Und wie lange genau ist das her?«
    »Zwölf Jahre«, räumte er nach einer kurzen Pause widerstrebend ein.
    »Wirklich?« Ich machte mich los, damit ich mich umdrehen und ihn anschauen konnte.
    »Warum wunderst du dich? Du weißt, dass ich nicht ausgehe.«
    »Aber du hast doch Bedürfnisse, oder? Du bist schließlich ein Mann.«
    »Ich komme zurecht.«
    »Oh«, sagte ich. »Aber wenigstens kannst du von mir keine Jungfräulichkeit verlangen.«
    Seine Miene entspannte sich. »Nein, kann ich nicht.«
    Ich überlegte. »Die meisten Männer hätten doch Luftsprünge gemacht. Die Situation ausgenützt. Sich amüsiert.«
    »Ich konnte nicht.«
    »Warum nicht?«
    Er blickte mich nachdenklich an. »Weil ich nicht mit einer Frau ins Bett gehen könnte, ohne ihr die Wahrheit zu sagen. Das wäre nicht fair. Und dafür habe ich noch nicht die richtige Frau gefunden.«
    »Was meinst du mit richtige Frau?«
    Wieder spielte ein Lächeln um seine Lippen. »Legst du es auf ein Kompliment an?«
    »Nein«, antwortete ich. »Ich will es wirklich wissen. Denn im Grunde genommen hast du mir auch nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe es selbst herausgefunden.« Ich hielt inne, um einen Schluck Wein zu trinken, und spürte, wie ich errötete. »Was in Ordnung ist. Du hast Verständnis für meine … meine Vergangenheit gezeigt, und ich kann dasselbe tun. Das Gästebett war eigentlich recht bequem.«
    »Liebling, du siehst das alles ganz falsch.«
    »Wahrscheinlich«, sprach ich rasch weiter, »mache ich einen ziemlich verdorbenen Eindruck auf dich. Dass ich mich dir so an den Hals werfe. Und das … heute am Telefon.«
    »Ich hatte überhaupt nichts dagegen.«
    »Ich wollte dir nur sagen, dass es bei mir auch schon Jahre her ist. Seit dem College. Denn ich muss zugeben, dass du recht hast. Wenn man mit jemandem ins Bett geht, hat das emotionale Folgen. Zumindest für mich. Deshalb hat es immer mit einer Katastrophe geendet. Ich wünschte …«
    »Was wünschst du dir?«
    »Ich wünschte, ich hätte dich damals schon gekannt. Du wärst viel rücksichtsvoller gewesen.«
    »Rücksichtsvoller?«
    »Am Ende. Wenn du genug von mir gehabt hättest.«
    Nachdem er mich

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