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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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Strandkorb zu sitzen, der in dem kleinen Vorgarten stand. Dort servierte er manchmal besonderen Kunden Teeproben.
    Tatsächlich saß er da, nippte an einem dampfenden Becher Tee und beobachtete die dunkelrosa Wolken, die über den Kiefern Richtung Westen unterwegs waren.
    „Störe ich?“, fragte Carly.
    „Hallo Carly!“ Er klang eher erfreut. „Magst du dich setzen?“
    So ein Strandkorb war etwas Gemütliches. Die Schale seines Daches stutzte den Himmel auf ein handliches Maß zurück. Aus ihm heraus störte das Blau ihren Blick nicht mehr, außerdem war es jetzt samten sanft. So geborgen in der Muschel aus Korbgeflecht, in Daniels tröstlicher Gesellschaft, in der Hand die warme Teetasse, die er ihr wie selbstverständlich gereicht hatte, beschloss Carly, jetzt und für immer auch mit dem gleißenden mittäglichen Blau Frieden zu schließen.
    „Heute habe ich einen alten Tag wiedergefunden“, erzählte sie.
    „Alte Tage sind wie guter Tee“, sagte Daniel. „Ihr Aroma bleibt erhalten. Man mag es oder man mag es nicht, aber diese indischen Blätter zum Beispiel erzählen auch nach Jahren in einer Dose noch von der Sonne, in der sie gewachsen sind, und von der Erde, die sie ernährt hat. – Und, war er bekömmlich, dein Tag?“
    „Besser als ich dachte.“
    „Das freut mich.“
    „Übrigens, ich wollte fragen, ob du unter Umständen Interesse an einem Regal hättest, das Joram gemacht hat. Nur für den Fall, dass der nächste Besitzer die Möbel nicht übernehmen möchte. Ich finde, es würde wunderbar in deinen Laden passen.“
    „Interesse auf jeden Fall, aber ich bin kein Krösus.“
    „Na ja, Elisa muss die Teile erst schätzen, aber mit Thore kann ich reden. Er ist Teetrinker. Für einen Korb deiner besten Sorten würde er dir das Stück bestimmt überlassen.“
    „Sehr sehr gerne.“
    Inzwischen war es stockdunkel geworden, nur ein schwaches Echo vom Sonnenuntergang sah noch über die Kiefern. Daniel stand auf und zündete eine Fackel an, die ein paar Schritte entfernt im Sand steckte. Kaum saß er wieder neben Carly, tanzten schon weiße Motten um die Flamme.
    Wie die Fragen in meinem Kopf, dachte Carly. Der Erinnerung, um die sie lange furchtsam und fasziniert gekreist war wie die Insekten um das Feuer, war sie heute begegnet, und sie hatte sich nicht verbrannt. Aber es blieb so vieles offen. Sie war noch nicht schwimmen gegangen. Warum? Mit Orje und Miriam war sie oft genug im Schwimmbad gewesen, hatte ganze Nachmittage am und im Wannsee mit ihnen verbracht. Aber dort konnte man das andere Ufer sehen. Hier gab es nur das randlose Blau, und sie fürchtete sich davor. Sie hatte darüber auf ihrem Blog geschrieben, und Orje hatte geantwortet: „Du musst ja nicht im Meer schwimmen – freu dich einfach wieder auf den Wannsee.“
    Aber Carly wusste, es gehörte zu den Dingen, die sie tun musste. Sie war es ihrem Vater schuldig und sich selbst.
    „Flieg, Fischchen!“ Er hätte es von ihr erwartet. Außerdem lockte die blaue Weite sie, jede Welle rief nach ihr. Es ging ihr mit dem Wasser wie den Motten mit dem Licht.
    Und dann war da noch das Geheimnis um Joram. Joram, in den sie auf seltsame Weise ein bisschen verliebt war. Wenn schon ihr Vater nie wiedergekommen war, so wollte sie wenigstens herausfinden, was mit Joram passiert war. Viel Zeit blieb ihr dafür nicht mehr.
    „Wann und wo hast du Joram eigentlich das letzte Mal gesehen?“, fragte sie in die behagliche Stille hinein.
    Daniel starrte nachdenklich in sein Teeglas.
    „Das war oben am Darßer Ort. Im September wahrscheinlich. Am Strand beim Leuchtturm. Er stand und sah aufs Meer hinaus, als hätte er dort etwas Bestimmtes entdeckt. Ich habe ihm einen Gruß zugerufen, aber ich glaube, er hat mich nicht gehört. Es war stürmisch. Außerdem war das bei ihm nicht ungewöhnlich. Manchmal war ihm nicht nach Reden.“
    „Wusstest du, dass er einen Bruder hatte, der als Kind gestorben ist?“
    „Wirklich?“ Daniel fischte eine Mücke aus seinem Tee. „Nein. Interessant. Er wirkte auf mich immer wie jemand, der nicht ganz ist. Das klingt blöd, aber es fiel mir auf, weil ich seine Möbel eben deshalb so schön finde, weil sie besonders ganz scheinen. Ganz in sich komplett, ganz rund und ganz richtig. Ist schwer zu beschreiben.“
    „Ich weiß, was du meinst“, sagte Carly. „Mir geht es genauso. Man berührt sie gern und fühlt sich wohl in ihrer Nähe. Ich dachte, Joram müsste so ähnlich gewesen sein.“
    „Wenn du mehr über

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