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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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Joram wissen möchtest, unterhalte dich mit Flömer. Kennst du Flömer schon?“
    „Flömer? Nein, wer ist das?“
    „Flömer ist ein alter Kapitän. Er ist neunundachtzig Jahre alt und hat jedes einzelne davon hier am Ort verbracht, wenn er nicht auf See war. Heutzutage ist er ein wenig schweigsam geworden. Aber es lohnt sich sicher, ihn anzusprechen, wenn du Fragen hast. Du findest ihn fast immer im Althäger Hafen. Den solltest du dir sowieso ansehen, das ist ein Ort, der dir gefallen wird.“
    Er sagte das mit so viel Gewissheit, als ob er sie schon eine Ewigkeit kannte.
    „Wie komme ich dahin?“
    „Am besten mit dem Fahrrad. Nimm den Weg, der an der Kirche vorbei Richtung Bodden führt. Er beschreibt einen Bogen am Bodden entlang und endet direkt am Hafen. Eine wunderschöne Tour.“
    „Und wie heißt Flömer mit Nachnamen?“
    „Flömer ist sein Nachname. Niemand weiß, wie er mit Vornamen heißt. Wahrscheinlich hat er ihn selbst vergessen. Du wirst ihn daran erkennen, dass er ein Stück Kreide hinter dem Ohr trägt.“
    „Kreide?“
    „Frag ihn am besten selbst, warum“, meinte Daniel.

    Irgendwo hinter dem Strandkorb klapperte etwas.
    „Daniel?“
    Synne tauchte in einem weißen Kleid aus dem Dunkel auf wie ein dünnes, fröhliches Gespenst. „Ach, Carly, da bist du! Ich hab schon bei dir geklingelt. Elisa ist von ihrer Reise zurück. Sie hätte übermorgen Zeit, sich die Bilder und Möbel anzusehen. Daniel, ich brauche etwas von Elisas Tee. Wenn sie morgen merkt, dass in der Galerie keiner mehr ist, ist mein Job Geschichte. Dann kann ich Orje in Berlin beim Streichen helfen.“
    Sie klang nicht, als ob das eine Katastrophe wäre.
    „Ist das so ernst mit euch?“
    „Tja, also mit Orje schon. Berlin ... nein, ich kann mir nicht vorstellen, nach Berlin zu ziehen.“
    „Ich geh den Tee holen“, sagte Daniel.
    Synne setzte sich auf einen Stein. Mit ihren langen Haaren und dem Kleid sah sie im Fackellicht aus wie die kleine Meerjungfrau.
    „Glaubst du, Orje würde hierher ziehen?“
    Carly überlegte. Sie dachte an die Fiedlerinsel. An Oma Jule und die vielen Nichten. An Orje auf dem Dahlemer Weihnachtsmarkt, an Orje an einem Sommerabend auf dem Kudamm.
    „Ich weiß es nicht. Wenn er liebt, ist bei ihm alles möglich. Aber ich kenne niemanden, der so sehr Berliner ist wie Orje. Der wird immer Berliner bleiben, selbst wenn er dich heiraten, mit dir zehn Kinder bekommen und den Rest seines Lebens hier verbringen würde.“
    Synne hielt einen Ast in die Fackelflamme.
    „Was ist es nur, das uns Menschen manchmal einen Ort mit solcher Zärtlichkeit lieben lässt, dass wir unser ganzes Leben daran hängen? Nichts wird mich hier wegbewegen, nicht einmal Orje. Wie ist das mit dir und Berlin? Oder hast du noch einen anderen Ort? Ich hatte eigentlich von Anfang an das Gefühl, du passt genau hierher. Im Gegensatz zu den Touristen.“
    „Die Frage stellt sich nicht. Astronomen werden hier nicht gebraucht. Ob ich an Berlin hänge, weiß ich selbst nicht.“
    „Das mit Orje, das ist wirklich ernst.“ Fast hätte sich Synne die Finger verbrannt, eilig ließ sie den Stock in den Sand fallen.
    „Du sollst nicht immer kokeln“, sagte Daniel streng. „Hier ist Elisas Tee.“ Er drückte ihr eine Tüte in die Hand. „Und jetzt, Kinders, so nett eure Gesellschaft auch ist, gehe ich nach Hause.“
    Synne sprang auf.
    „Carly, kann ich Elisa sagen, dass übermorgen o.k. ist? Kann sie da die Bilder sehen, so um zehn?“
    „Das wäre wunderbar. Es wird höchste Zeit, dass ich vorankomme mit Naurulokki. Danke.“
    Wenn Carly gewusst hätte, dass sie erst im Dunkeln nach Hause kommen würde, hätte sie eine Taschenlampe mitgenommen. Es war so finster auf dem Grundstück, dass sie schmerzhaft gegen die Treppe stieß, nachdem sie sich den Weg zum Haus hinaufgetastet hatte. Vor der Tür lag Post. Als sie im Flur das Licht einschaltete, hatte sie für einen Moment den Gedanken, es sei möglich, Henny und Joram zu überraschen – vielleicht für einen Moment einen Blick auf ihre sonst unsichtbare Anwesenheit erhaschen zu können. Doch es fielen nur ein paar Dahlienblätter aus dem Strauß zu Boden.
    Carly legte die Post in die Küche, kuschelte sich dankbar in Hennys Jacke, in der sie sich inzwischen zuhause fühlte, und betrachtete das möwenförmige Holz, das sie im Wald mitgenommen hatte. Auf Hennys Werktisch fand sie eine Öse, die sie in den Rücken der Möwe bohrte, und ein Stück Sandpapier, mit dem sie die

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