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Das Meer in deinen Augen

Das Meer in deinen Augen

Titel: Das Meer in deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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räumte gerade ab. Belanglose Gespräche versmischten sich zu einem wabernden Brei. Man unterhielt sich darüber, wo noch eine passende Jeans zu finden sei oder ob die Parkzeit schon abgelaufen war. Aus einigen Bekleidungsgeschäften dröhnte laute Technomusik. Emma setzte sich an den Rand eines der Springbrunnen und lauschte dem schwirrenden Lärm, der von dem steten Plätschern begleitet wurde. Solange es nur laut genug war, musste sie nicht wieder nachdenken. Hier am Ende der Passage war der Build-A-Bear- Laden . Ein kleines Mädchen zog seine Mutter immer weiter zur Tür des Ladens. »Du hast doch schon zwei davon. Reicht das nicht?«
    »Zum Geburtstag, okay?«
    »Na gut. Aber das waren dann genug Wünsche.«
    Zu Hause folgte sie dem kühlen Zug, der durch die offene Balkontür hereinwehte. Ihre Mutter saß draußen auf dem Balkon.
    »Schon zurück?«
    Emma verzichtete auf eine Antwort. Entweder merkte ihre Mutter, dass es besser war, nicht nachzufragen, oder sie ahnte, was passiert war. Emma blieb auf der Schwelle stehen.
    »Komm doch auch raus.«
    Emma überlegte einen Moment. Dann nahm sie auf dem anderen Stuhl Platz. Die Lehne war nicht nach hinten geklappt. Also schaute sie in den Hinterhof. Im Sommer gab er ein wirklich schönes Bild ab. In den Balkonkästen blühten überall Blumen, und man konnte fast vergessen, wie trist die alten grauen Mauern waren. Hier und da schauten schon die Steine hinter dem abbrechenden Putz hervor. Verändert hatte sich hier schon lange nichts mehr.
    »Wie geht’s dir? Gehst du heute nicht zum Tanzen?«
    »Fällt heute aus. Sylvie ist im Urlaub.«
    »Ach so. Wenn du willst, können wir in die Stadt. Einkaufen …«
    »Ist schon okay«, unterbrach sie ihre Mutter.
    »Wir könnten auch was essen gehen. Beim Italiener …«
    Manchmal fragte Emma sich, ob Mama Gefallen an ihrem Schicksal fand. Jetzt hatte sie wahrscheinlich das Gefühl, wieder gebraucht zu werden – als Mutter. Emma hasste sich für diese Gedanken.
    »Ist schon okay«, entgegnete sie flüchtig und strich sich durch die nassen Haare.
    »Gut, dann mach ich uns hier was Schönes.«
    Emma lächelte matt, als ihre Mutter die Augen öffnete und zu ihr rüberschaute.
    »Ist nicht leicht für dich, dieser Sommer.«
    »Ich will nicht darüber reden, Mama«, erwiderte sie kühl und schaute wieder auf den Hinterhof.
    »Okay … ich bin für dich da. Das weißt du.«
    »Klar.« Emma stand auf.
    »Wohin gehst du?«
    Keine Antwort. Sie flüchtete nur. Durch den düsteren Flur, während die Wände auch hier immer näher rückten und sie aufzufressen schienen. Nur in ihrem Zimmer, da war alles wie sonst. Ihr einziger Rückzugsort. Auf dem Bett saß ihr Teddybär. Er hatte schlaffe, hängende Arme, weil das Füllmaterial mit der Zeit weniger geworden war. Oma hatte ihn ihr geschenkt, als sie klein war und Fieber hatte. Er passt auf dich auf, hatte sie gesagt. Ronny hieß er. Keine Ahnung, warum ihr dieser Name eingefallen war. Sie fand ihn wohl damals einfach schön. So viel wusste sie noch. Nichts davon spürte sie mehr.

13
    Hip-Hop-Musik begrüßte sie, als sie das Studio betraten. Das Pumpwerk befand sich in einem alten Backsteinbau aus den sechziger Jahren. Die dünnen zerbrochenen Fenster waren durch Doppelverglasung ersetzt worden. Die Decke wurde immer noch von rostigen Stahlpfeilern getragen. Die Wände der riesigen Halle warfen jedes kleine Geräusch zurück. Der Geruch von neuem Kunststoff und Baumaterialien lag in der Luft. Eine Bohrmaschine ließ das Gemäuer vibrieren. Es wurde noch umgebaut. Dabei verkündete ein Schild über dem Eingang die Eröffnung vor zwei Tagen. Zur Rechten reihten sich die Laufbänder und Crosstrainer auf. Gegenüber die Hantelbänke, Arm- und Beinpressen. In der hinteren Ecke hingen die Birnen und Säcke für die Boxer. Ihr Leder war schon abgewetzt. Ein paar Leuchstoffröhren tauchten alles in ein kaltes Licht. Ein großer Ventilator an der Decke machte bei jeder Umdrehung ein quietschendes Geräusch, das Benjamin kurz zusammenzucken ließ. Für einen neuen schien das Geld gefehlt zu haben. Besonders sicher wirkte die Anbringung nicht. »Vintage nennt man das.« Benjamin fuhr herum, als er eine altbekannte Stimme vernahm. Sie gehörte dem Mann, der breit grinsend auf sie zukam und dabei mit einem Kopfnicken nach oben deutete. Er streifte die Boxhandschuhe ab und warf sie in seine Sporttasche. Er war groß, schlank und hatte einen durchtrainierten Oberkörper. Das letzte Mal waren sie sich

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