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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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ich nicht, ich hatte es vorgezogen, rechtzeitig aus der Schusslinie zu kommen.
    Â 
    Ich war schon über einen Monat im Palau, als der Raps das Hinterland in leuchtendes Gelb getaucht hatte, ich zu »unser Joker« befördert worden war und allmählich mehr Feriengäste eintrafen.

    Elisabeth war erleichtert: »Ich dachte schon, sie bleiben uns dieses Jahr weg.«
    Ruth schnappte: »Diese ewige Schwarzseherei! Schrecklich!«
    Eine Gruppe Pfadfinderinnen aus der Nähe von Bern machte den Anfang. Deren Betreuer, »der Bertram«, laut Kartei Claudel-Leser und Vegetarier, war schon als Kind mit seinen Eltern ins Palau gekommen und ging mir damit auf die Nerven, dass er Ruth »Tante Schuhmann« nannte, obwohl er sie siezte und nicht im Entferntesten mit ihr verwandt war. Seine Gefolgschaft brachte mich mit frühmorgendlichen Gesängen zur Begrüßung der Sonne aus der Fassung und Sergej mit dem Wunsch nach fleischlosen Gerichten. Elisabeth mochte »die frommen jungen Leute«, schwärmte davon, dass sie Ideale hätten und keine Drogen mitbrächten, und fütterte sie mit Rosinenbrötchen und Pfannkuchen. Ania, die tags zuvor aus Polen zurückgekehrt war und die Putzstaffel von ihrer Schwester übernommen hatte, regte sich auf, dass überall Jacken, Federballschläger und Badeanzüge herumlagen.
    Â»Bascha ist egal, aber bei mir benehmen sich junge Leute: Ordnung! Katia ist auch jung, soll aufpassen!«
    Ruth wünschte, sie hätten wenigstens singen gelernt, bevor sie lauthals den Herrn priesen, aber immerhin wäre mit keiner von den Halstuchträgerinnen die BRAVO oder sonst ein Schundblatt ins Haus gekommen, da müsse man heutzutage ja schon froh sein. Heinrich bot mit Assistenz des braven Pfadfinderführers seine erste Führung für den Sommer an: »Wandern und Sammeln am Spülsaum entlang«, mit anschließender Bestimmung der Funde. Die Kinder zeigten sich höflich angetan, fragten nachher nach Wollfäden zum Binden von Muschelketten und entschieden sich bei der Abstimmung
über eine weitere Führung mehrheitlich für Kinobesuch in Halsung.
    Â»Wieso können sich Pfadfinderinnen fünf Tage Hotel mit Vollpension leisten?«, wollte ich wissen, als ich abends mit Elisabeth beim Äpfelschälen saß.
    Â»Sonderpreis. Ruths Entscheidung«, sagte Elisabeth und wirkte alles andere als erfreut.
    Â»Weil sie christlich sind?«
    Â»Nein, weil sie Kinder sind und weil der Bertram darum gebeten hat.«
    Â»Und du warst nicht dafür? Ich dachte, du magst die Mädchen.«
    Elisabeth schnaufte erbost: »Ein Hotelbetrieb, bei aller Liebe, kann sich allzu viel Wohltätigkeit nicht leisten.«
    Ich beschloss, mich bei diesem Thema zurückzuhalten.
    Eines der Mädchen, dem ich sein am Strand verloren gegangenes Telefon zurückbrachte, drückte mir ein Zwei-Euro-Stück in die Hand und bedankte sich artig. Mein erstes Trinkgeld bekam ich von einer zwölfjährigen Schweizerin in Kniebundhose.
    Â 
    Was es mit der »Müllsammlerin« auf sich hatte, wurde mir eines sonnigen Frühsommertags vorgeführt. Wie Heinrich mir erklärte, handelte es sich dabei um ein erstes untrügliches Zeichen für den Beginn der Saison, den wir alle, aus den unterschiedlichsten Gründen, so dringend erwarteten.
    Ruth hatte dem Abfall an ihrem Strandabschnitt den bedingungslosen Kampf angesagt und widmete sich dieser Mission während ihres täglichen Spaziergangs mit unbeugsamer Verbissenheit.
    Ruths Füße steckten dabei in riesigen olivgrünen Gummistiefeln,
ihr Kopf wurde von einem ausgefransten Strohhut vor der Sonne geschützt, den wiederum ein unter dem Kinn zu einer Schleife gebundener Seidenschal vor dem Davonwehen bewahrte. Über ihren Jeans wehte, je nach Wetterlage, ein bodenlanger Kleppermantel oder eine dunkelbraune Windjacke mit großen ausgebeulten Taschen. Quer über den Bauch trug sie zwei Pflücksäcke aus Leinen, wie sie zur Apfelernte gebraucht werden. Da hinein stopfte sie Plastiktüten, erst leer, dann mit Müll gefüllt, die sie für diesen Zweck das ganze Jahr über sammelte. Bewaffnet mit einem Müllgreifer, von denen im Keller Unmengen auf ihren Einsatz warteten, stapfte sie am Strand entlang und füllte bei ihrem Morgenspaziergang auf dem Hinweg den ersten Sack, dem, wenn dieser auf den Rücken geschoben worden war, auf dem Rückweg der zweite

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