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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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erzählte ich ihr nicht, dass ich Ruth am Morgen mit dem Doc hatte sprechen sehen.
    Ich fiel fast in Sergejs Arme, als die Tür der Vorratskammer aufgerissen wurde. »Was macht ihr denn hier? Geheimnisse!« Er grinste breit, und ich nutzte die Gelegenheit, unter seinen Pranken hindurchzuschlüpfen und Elisabeths Ruf zu ignorieren.
    Als ich nachts der randalierenden Schwalbennestkatze öffnete,
lag ein Briefumschlag vor meiner Tür. Darin eine Minitüte Gummibärchen und eine Kunstpostkarte, Picassos »Im Kaffeehaus«. Auf der Rückseite stand in großen, beinahe kalligraphisch anmutenden Buchstaben:
    Â»Es tut mir leid!
    Deine
    E.«
    Was auch immer zwischen den beiden vonstattenging, ich wollte nicht hineingezogen werden.

4
Reichlich Vergangenheit
    You mistake me, my dear. I have a high respect for your nerves.«
    Â»Das kenne ich, Tante! Anschließend sagt er ihr, dass sie ihn die vergangenen zwanzig Jahre lang mit ›ihren Nerven‹ tyrannisiert hat.«
    Â»Seht her, mein Nichtlein und die Weltliteratur! Aber diesen Teil des Zitats hatte ich ausgelassen. Mit Absicht!«
    Â»Lasst euch durch meine Anwesenheit bloß nicht davon abhalten, mich zu beleidigen. Im Übrigen habe ich Respekt vor deinen Nerven, liebe Ruth, und das schon mehr als dreißig Jahre!«
    Elisabeth klang nicht, als ob sie einen Witz machte.
    Das Holzhackerlachen donnerte trotzdem von der Eckbank, die Tante legte die flache Hand an die Brust, neigte das Kinn und sagte: »Der Punkt geht an dich!«
    Elisabeth stand auf: »Ich mache mich an die Arbeit. Wenn ihr wieder in der Lage sein solltet, euch ernsthaft über die Organisation eines Gästebetriebs zu unterhalten, findet ihr mich in der Backküche.«
    Es ging schon ein wenig auf Elisabeths Kosten, was wir gelegentlich veranstalteten, aber da sie weder ein Paar noch Geschwister waren, war ich der Ansicht, keine moralischen Bedenken hegen zu müssen, wenn die Pointe gut war. In dieser Hinsicht waren wir uns dann doch wieder ähnlich, die Tante und ich.

    Â 
    Â»Ich schätze deine Diskretion.«
    Dieser Satz aus Ruths Mund war ein Meilenstein auf dem Weg zu so etwas wie Freundschaft. Ich kapierte seinen vollen Sinn zwar erst sehr viel später, aber da auch die Tante etwas brauchte, um zu merken, dass ich nicht verstanden hatte, gerieten wir in vertraulicheres Fahrwasser, was, bei allem Unverständnis, keiner von uns beiden weh getan hat.
    Sie war am Tag, nachdem ich sie mit dem Doc am Strand gesehen hatte, bei mir im Schwalbennest eingefallen. Das hatte sie noch nie gemacht, noch dazu vor dem Frühstück. Dementsprechend sprang ich aus dem Bett, überzeugt, dass etwas Schreckliches passiert sein musste, Feuer, Sturmflut, Bombendrohung. Ich hatte mir bereits hektisch ein T-Shirt über den Kopf gezogen, als ich bemerkte, dass Ruth hinter der Katze her grinste, die mit murrenden, grunzartigen Lauten unter dem Schrank verschwand.
    Â»Sachte! Du verschreckst noch deine Zimmergenossin«, sagte die Tante und schien nicht sonderlich besorgt zu sein, was mir aber zur Entwarnung noch nicht reichte. Sarkastische Ruhe, kurz vor dem Ausbruch, war durchaus in ihrem Repertoire vorhanden. Dennoch fiel sofortige Evakuierung wegen Feuer wohl erst mal weg, so abgebrüht war sie nun auch wieder nicht.
    Â»Was ist passiert?«, keuchte ich.
    Â»Man wird in seinem eigenen Haus doch noch ein Zimmer betreten dürfen.«
    Ich stieg in meine Jeans und Ruth sagte: »Bascha hat recht.«
    Â»Wie?«
    Â»Du solltest mehr essen.«
    Â»Deswegen weckst du mich?«
    Sie lachte und ging zum Fenster, stellte sich auf die Zehenspitzen,
versuchte hinauszusehen. »Ist es hier nicht zu eng für eine hochgewachsene Person wie dich?«
    Â»Ich fühle mich wohl. Sogar an das Krallenmonster hab ich mich gewöhnt.«
    Sie schob das Fenster auf, klemmte den Riegel fest.
    Â»Wir könnten dir eines der größeren Zimmer geben.«
    Â»Ich will kein anderes Zimmer.«
    Sie ging zum Bett. »Darf ich?« Ich nickte. Ruth setzte sich auf die Kante, betrachtete die Bücher auf meinem Nachttisch, zog eines aus dem Stapel, blätterte darin, hielt es mir entgegen: »Du weitest deine Lektüre auf das zwanzigste Jahrhundert aus? Hast du dies hier schon gelesen?«
    Â»Noch nicht einmal angefangen.«
    Â»Tu’s! Du wirst es nicht bereuen! Oder warte lieber noch, ich gebe dir erst das vorherige, das wird

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