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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
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genommen werden durften. Unerfahrene Neuankömmlinge wurden von ihren Zimmernachbarn darauf hingewiesen, dass es sich empfehle, die Bademäntel innerhalb des Hauses nur für einen eiligen Gang durch die Flure oder zum Strand zu benutzen. Für den Besuch von Frühstücksraum oder Kajüte habe man sich tunlichst um- beziehungsweise anzuziehen, gerne sportlich, aber in jedem Fall vollständig.
    In diesem Sinne wurden die neuen Hotelgäste schnell auf Palau-Kurs gebracht. Auch sie begannen schon nach wenigen Stunden Aufenthalt, die stillosen Ausflügler vom Strandkorbcafé mit der Herablassung von Eingeweihten als dahergelaufene Massentouristen zu behandeln.
    Dagegen wiederum hatte Ruth nichts einzuwenden; der Graben, der sich zwischen »Ansässigen« und »Daherkommenden« auftat, gefiel ihr, was wiederum mir missfiel.
    War die Kajüte überfüllt, wurde der Frühstücksraum ganztägig für die Hotelgäste zugänglich gemacht und bekam, mit eigenem kleinen Menü und dem entsprechenden Hinweis an der Tür, den Charakter eines exklusiven Clubs, was überaus geschätzt wurde. Die Exklusivität blieb stets gewahrt, ohne dass einer von der Belegschaft sich darum kümmern musste. Dorthin konnte Elisabeth dann ihre hausgemachten Spezialitäten
tragen: Baltischer Pharisäer, Othello am Strand, Deichgrafs Mazaran. So etwas bestellte bei mir draußen kein Mensch. Die Fronten hielten sich gegenseitig stabil, wirkten jeglicher Vermischung entgegen, auch am Strand, wo der kleine Abschnitt des Hotelbereichs von hausfremden Handtuchhockern und Plastikboxen tragenden Ausflüglern frei gehalten wurde.
    Â»Frau Schuhmann wünscht es nicht!«
    Dass ich einmal der Frau Direktor Preysing, Palau-Sommerurlauberin seit 1981, nach einem arroganten Auftritt die Zunge hinter ihrem Rücken herausstreckte, brachte mir dennoch den Applaus aus drei Strandkörben gleichzeitig ein. Der anschließende Tadel seitens Elisabeths war mir allerdings kaum verständlich.
    Â»Dich nerven die bornierten Hoteldiven doch auch.«
    Â»Sehr sogar, aber deswegen braucht man sich ihnen gegenüber nicht despektierlich zu verhalten.«
    Â»Sie hat es doch gar nicht gesehen.«
    Â»Umso verwerflicher!«
    Sie benutzte ernsthaft das Wort verwerflich. Ich konnte es kaum fassen!
    Ruth machte sich, trotz all ihrer Prinzipienreiterei und des Geredes über »Stil und Niveau«, öfter lustig über das Gehabe derer, die sich als »Insider« bezeichneten, wobei jeder, der es wagte, in Gegenwart der Tante dieses Wort zu benutzen, streng zurechtgewiesen wurde: »Bitte nicht diese furchtbaren Amerikanismen!«
    Elisabeth hasste das, was sie hiesiges Kastenwesen nannte, ging so weit zu behaupten, die älteren Stammgäste würden mit ihrem elitären Gehabe die Atmosphäre vergiften und dafür sorgen, dass neue, jüngere Menschen rasch wieder abzögen, weil diese sich unbeschwerte Urlaubstage wünschten,
ohne dass sie schon beim Frühstück Tiraden über Niveauverlust und Kulturignoranz über sich ergehen lassen müssten. Auch das ewige Gerangel, wer am längsten und am häufigsten Gast sei, sich am besten mit den sogenannten Hausbräuchen auskenne oder den vertrautesten Umgang mit den Chefinnen habe, sei zunehmend unerträglich. »Da sind mir Katias frohgemute Bier- und ›Latte‹-Trinker ja noch lieber!«
    Sie sagte zu der Zeit »Katias Gäste«, wenn sie vom Strandkorbcafé sprach, und die Tante grinste mich jedes Mal breit an, bevor sie zum verbalen Gegenschlag ausholte. Ich ging meiner Wege, zückte den Bestellblock, wurde wieder »Fräulein!« und ließ sie ihre Scharmützel unter sich austragen, soweit es ging.
    Â 
    Dann kam der Regen und erledigte Badehosenträger, übermäßigen Sprite-Konsum und verhärtete Gästefronten von selbst.
    Dunkle Farbfelder schoben sich vom Meer her näher, wurden träge herbeigezogen von schwarzen Fäden, die aus ihnen niedergingen wie dünne Tusche, mit dem Borstenpinsel verwischt. Beim ersten Mal dachte ich noch: Was für ein Schauspiel!
    Ein Wetter brach los, fegte Strand und Gartencafé leer, scheuchte die Bewohner des Palau unters schützende Dach und machte dabei keinen Unterschied zwischen Gästen und Residierenden oder solchen wie mich, die irgendetwas dazwischen waren. Wir saßen alle fest und verfolgten den Wetterbericht, der wenig

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