Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Peters
Vom Netzwerk:
müssen, die Frau hätte doch nur nett sein wollen und auf ihre Art Dankbarkeit zu zeigen versucht. Aber die Tante griff die Lautstärke, zu der sie sich gesteigert hatte, nahtlos wieder auf und
brüllte durchs Treppenhaus, dass man es vermutlich bis ins letzte Zimmer hören konnte: »Sie wirkt wie eine aufgetakelte Achtzigjährige, die auf vierzig macht und dabei ist sie gerade mal neunundsechzig. Das nenne ich schlecht aussehen!«
    Elisabeth war drauf und dran, ihr den Mund zuzuhalten. Ich konnte nicht mehr und fing so laut an zu lachen, dass Ruths weiteres Geschimpfe und Elisabeths Vorhaltungen in meinem Grölen untergingen.
    Heinrich, Ania und Bascha kamen besorgt aus unterschiedlichen Richtungen angelaufen, um festzustellen, dass Ruth sich wieder beruhigt hatte und lächelnd auf ihre Nichte herabsah, die sich, noch immer hysterisch lachend, an der Lehne eines Stuhls festklammerte.
    Â»Was ist denn los?«, fragte Heinrich.
    Â»Wellness für Best Ager«, schnaubte Ruth, während sie mir beruhigend auf die Schulter klopfte. »Wofür hält sie uns?«
    In seltener Einigkeit zuckten Ania und Heinrich mit den Schultern. Die Tante fasste sich ins Gesicht, zog die Haut an beiden Wangen zu den Ohren hin, ließ sie zurückschnellen und schnitt eine Grimasse.
    Â»Ich bin alt genug, um mir dieses Aussehen leisten zu können, das nehme ich mit ins Grab, jede einzelne Falte, ich schwöre!«
    Â 
    Der Regen machte einen Tag Pause, an dem ich den Parkplatz fegte und mit Heinrich spazieren ging. Der Regen kam wieder, triefend und kalt, und vertrieb mit der Zeit auch die restlichen Gäste, einen nach dem anderen. Aufenthalte wurden abgebrochen, Reservierungen storniert, die Blasen an meinen Füßen heilten vollständig ab, und in der Kajüte aßen wir am Gulaschtopf vier Tage lang.

    Von außerhalb machte nur noch der Doc sich auf den Weg durch die Wasserwand zu uns herüber. Bis zum Schaft waren seine Gummistiefel verschlammt, wenn er sie vor der Tür abgestreift hatte und beim Eintreten wie halbverweste Kadaver von sich streckte. Elisabeth hastete jedes Mal eilig aus dem Raum und erschien wenig später mit der Frankfurter Allgemeinen unterm Arm, um die nassen Stiefel daraufzupacken, bevor Ania den Doc schimpfen konnte. Am dritten Tag kam sie mit einem Paar graumelierter Filzpantoffeln, die sie feierlich vor seinen Füßen abstellte.
    Â»Die wollte ich dir eigentlich erst am Geburtstag geben.«
    Der Doc schlüpfte einen Dank murmelnd in die Schuhe, während Elisabeth ihm die Gummistiefel aus der Hand nahm und sie auf der Zeitungsunterlage neben der Garderobe abstellte.
    Â»Passen sie?«
    Â»Hmhm«, machte der Doc, und Elisabeth erblühte zartrosa.
    Ruth warf den beiden einen Blick über den Brillenrand zu, den ich nicht einzuordnen wusste, schlug dann ein Buch auf, obwohl sie vorher noch mit uns im Arbeitsgespräch gewesen war, und tat, als hätte sie keinerlei Zeit oder Interesse an einer Unterhaltung. Schon seit geraumer Zeit redete sie kaum mit ihm. Was hat er ihr getan, dachte ich, aber der Doc schien sich, wie an den vorigen Tagen, nicht weiter daran zu stören, ließ sich auf seinen Platz fallen und lobte allenfalls die Filzpantoffeln ein wenig zu ausführlich: »Gemütlich! Jetzt bekomme ich hier schon ein Paar Hausschuhe geliefert, wenn das kein Service ist!«
    Â»Es sind deine, du darfst sie mitnehmen«, sagte Elisabeth und stellte ihm sein Bier vor die Nase.
    Ich wollte witzig sein: »Soll er sie doch hierlassen. Er braucht
dann nur noch eine Zahnbürste bei uns zu deponieren, und seine Ausstattung als Hausfreund ist perfekt.«
    Diese besondere Art Schweigen, die Schrecksekunde, in der einem klar wird, dass man etwas Unpassendes von sich gegeben hat, direkt gefolgt von dem Wunsch, die soeben entschlüpften Worte wieder zurückzunehmen, sie aufzusaugen mit dem nächsten Atemzug. Nicht einmal Heinrich fiel eine Weisheit zu meiner Rettung ein, ich musste allein wieder herauskommen, obwohl mir gar nicht ganz klar war, worin genau ich mich verfangen hatte.
    Â»Ich meine nur«, fing ich an zu stottern, »weil das Wetter doch manchmal umschlägt, und wenn es dann noch schlimmer kommt, und wenn dann keiner mehr über den aufgeweichten Deich gehen kann oder Sturmflut ist, und er gerade hier ist, und … Ich habe doch gar nichts gesagt!«
    Es war aussichtslos, sie schwiegen mich platt.
    Da

Weitere Kostenlose Bücher